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Veränderungen an der Musik- und Kunst<strong>schule</strong> Jena – Neue Wege ab 2024 – JenaKultur-Blog
Allgemein JenaKultur (übergreifend) Musik- und Kunstschule Jena

Veränderungen an der Musik- und Kunstschule Jena – Neue Wege ab 2024

Das Gebäude der Musik- und Kunstschule Jena in der Ziegenhainer Straße

Die Musik- und Kunstschule Jena (MKS) steht vor einem bedeutenden Wandel. Am 1. September 2024 trat eine weitreichende Änderung in Kraft, die die Beschäftigungsverhältnisse der Lehrkräfte betrifft. Dieser Wandel geht auf das sogenannte „Herrenberg“-Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni 2022 zurück, das erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Musikschullandschaft in Deutschland hat.

Hintergrund des Urteils

Das Urteil des Bundessozialgerichts hat die Praxis der Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen deutschlandweit grundlegend verändert. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben daraufhin die Umsetzungsbewertung der Kriterien für die sozialversicherungsrechtliche Prüfung von Honorarkräften verschärft. Insbesondere das Kriterium der „betrieblichen Eingliederung“ wurde neu definiert. Dies bedeutet, dass die klassische Beschäftigung von Lehrkräften auf Honorarbasis in der bisherigen Form kaum noch möglich ist, ohne das Verständnis einer Musikschule als Bildungseinrichtung zu verlieren.

Warum? Lehrkräfte, die auf Honorarbasis arbeiten, müssten theoretisch die Freiheit haben, ihren Unterrichtsort, die Unterrichtszeiten und ihre Schüler:innen selbst zu wählen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den üblichen Anforderungen an Lehrkräfte an Musikschulen, wie der Teilnahme an Konferenzen, der Durchführung von Schülerkonzerten oder der Einhaltung der Rahmenlehrpläne. Die aktuelle Rechtsprechung fordert daher, dass Lehrkräfte, die in den regulären Lehrbetrieb eingebunden sind, als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer behandelt werden müssen. Festangestellt, ohne Honorarverträge.

Herausforderungen und Chancen

An unserer Musik- und Kunstschule betraf diese neue Regelung mehr als 40 Honorarlehrer:innen, die 680 Schüler:innen unterrichteten. JenaKultur, Träger der Musik- und Kunstschule Jena, namentlich die Werkleitung, hat diese neuen rechtlichen Rahmenbedingungen gemeinsam mit der MKS-Leitung sowie dem Fachdienst Recht der Stadt Jena und im engen Austausch mit den relevanten Landes- und Bundesverbänden immer wieder eingehend geprüft. Nach intensiver Beratung mit der Stadtspitze wurde zunächst im Frühjahr 2024 entschieden, erst im Schuljahr 2025/2026 vollständig auf Festanstellungen umzustellen, um die erwartbaren Mehrkosten in der für den Zeitraum 2025-2028 neu zu schließenden Zuschussvereinbarung für JenaKultur abbilden zu können und durch den Stadtrat beschließen zu lassen. Doch weitergehende juristische Bewertungen auf Bundesebene machten im Juli 2024 deutlich, dass eine Umsetzung des „Herrenberg“-Urteils bereits zum Schuljahr 2024/25, welches in Thüringen bereits am 1. August beginnen sollte, notwendig ist.

Die JenaKultur-Werkleitung und die Leitung der Musik- und Kunstschule standen somit vor der Herausforderung, diesen gewaltigen Veränderungsprozess innerhalb weniger Wochen so umzusetzen, dass spätestens ab September 2024 der Unterricht mit festangestellten Kolleg:innen im selben Umfang und derselben Qualität wie bisher starten kann. Voraussetzung dafür war zunächst eine Organisationsentwicklung, in deren Ergebnis die Vielzahl von mehr als 40 einzelnen Honorarverträgen in 13,25 volle Beschäftigungseinheiten (VbE) übersetzt wurde, um das bisherige Unterrichtsdeputat von 400 Unterrichtseinheiten und somit die bisherige Unterrichtsqualität und -quantität aufrechtzuerhalten. Daraus resultierend wurde ein zusätzlich zu finanzierender Personalkostenanteil in Höhe von 120.000 Euro in 2024 und ab 2025 in Höhe von jährlich rund 450.000 Euro berechnet.

Trotz der immensen Herausforderungen des daraus resultierenden Veränderungsprozesses, sahen alle Beteiligten auch die Chancen für diesen Weg. Yvonne Krüger, die Direktorin der Musik- und Kunstschule, sagt dazu:

„Alle Lehrerinnen und Lehrer an der Musik- und Kunstschule Jena leisten seit Jahrzehnten eine hervorragende pädagogische Arbeit im musisch-künstlerischen Bereich. Aber eben zum Teil unter völlig unterschiedlichen Bedingungen und vor allem auch in Entlohnung ihrer Leistung. Dieses daraus resultierende, seit Jahren kritisierte Zwei-Klassen-System zwischen festangestellen und auf Honorar-Basis arbeitenden Musik- und Kunstpädagog:innen wird durch die neue Struktur endlich aufgehoben. Zukünftig gilt gleicher Lohn für gleiche Leistung. Wir wünschen uns weiterhin eine hochmotivierte Lehrerschaft, die sich qualitativ hochwertig und vor allem nachhaltig für unsere Schülerinnen und Schüler in der Grundausbildung, Breiten- und Begabtenförderung engagieren kann.“

Die Leiterin der Jenaer Musik- und Kunstschule, Yvonne Krüger
Die Leiterin der Jenaer Musik- und Kunstschule Jena, Yvonne Krüger | © JenaKultur, C. Worsch

Friedrun Vollmer, die bei JenaKultur für die Kulturelle Bildung und die Kulturentwicklung zuständige Werkleiterin, ergänzt aus der Perspektive ihrer langjährigen Erfahrung als Musik- und Kunstschuldirektorin in Jena und Münster:

„Damit Musik- und Kunstschulen bundesweit zukunftsfähig bleiben, müssen auch Voraussetzungen geschaffen werden, die es Lehrer:innen erlauben, an diesen schulen auch eine verlässliche berufliche Perspektive zu erhalten und sich in die Entwicklung des Unterrichtes und der schulen aktiv einzubringen. Vor diesem Hintergrund ist unsere Entwicklungsprämisse ‚Weg von Honorarverträgen! Hin zu Festanstellungen!‘ und relevante Stellenumfänge, anstatt Kleinstverträge mit geringen Stellenvolumen. Das ‚Herrenberg‘-Urteil wirkt dabei als Katalysator einer eigentlich längst überfälligen Richtungsentscheidung an den kommunalen Musik- und Kunstschulen.“

Jubiläumskonzert der MKS Jena 2023
Jubiläumskonzert der MKS 2023 | © JenaKultur, T. Peißker

Der Weg

Nachdem das gemeinsame Ziel definiert war, musste innerhalb weniger Wochen eine hochkomplexe Umsetzung definiert und auf den Weg gebracht werden. Carsten Müller, der für das Zentrale Management von JenaKultur und den Bereich Personal/Organisation zuständige Werkleiter, erläutert:

„Ich habe in den vergangenen siebzehn Jahren bei JenaKultur gemeinsam mit unserer Leiterin Personal/Organisation, Yvonne Abraham, schon zahlreiche Prozesse der Organisationsentwicklung planen und erfolgreich durchführen können. Die Umsetzung des ‚Herrenberg‘-Urteils an unserer Musik- und Kunstschule halte ich dabei für eine der bisher anspruchsvollsten Aufgaben, weil sie überkomplex ist. Wir mussten innerhalb weniger Wochen eine arbeitsrechtlich ‚wasserdichte‘ Strukturerweiterung entwickeln, für diese Struktur und vor allem deren Finanzierung die Zustimmung der Stadtspitze, des Personalrates sowie der politischen Gremien gewinnen, parallel eine transparente und vertrauensvolle Kommunikation mit Schüler:innen, Eltern und vor allem unserer Lehrerschaft führen. Wir mussten die Besetzungsverfahren der neuen Stellen vorbereiten und unter Gremienvorbehalt durchführen. Das alles nach einer Kommunalwahl, in der kommunalpolitischen Sommerpause, nur wenige Wochen und Tage vor Schuljahresbeginn, in einer auslaufenden Zuschuss- und Haushaltsperiode, mit eingeschränkten personellen Möglichkeiten an unserer Schlüsselstelle im Bereich Personal/Organisation. Also eigentlich unmöglich, aber deswegen auch besonders motivierend. Das Unmögliche möglich machen. Großartig!“

K. Ivanow
Konstantin Ivanov, einst Honorarlehrer an der MKS Jena, nun endlich festangestellt © JenaKultur, C. Worsch

Die arbeitsrechtlichen Bewertungen der verschiedenen Entscheidungsszenarien erfolgten in engster Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Recht der Stadt Jena, dessen bewährte Expertise letztlich zum Ausschluss von Varianten führte, die zunächst befristete Festanstellungen vorsahen, welche aus haushalterischer Sicht sinnvoll, aber aufgrund der sogenannten Kettenvertragslogik nicht zulässig waren. Insofern stand fest, dass für Bewerber:innen, die bereits seit mehreren Schuljahren immer wieder neue Honorarverträge erhalten hatten, kein erneuter, arbeitsrechtlich legitimierter Befristungsgrund mehr bestand.

Gleichzeitig wurden durch die Musik- und Kunstschuldirektorin, Yvonne Krüger, und die MKS-Verwaltungsleiterin, Katja Hohmann, in Zusammenarbeit mit der Leiterin JenaKultur Personal/Organisation, Yvonne Abraham, der konkrete Bedarf und der notwendige neue Stellenumfang herausgearbeitet. Im Ergebnis stand die Erkenntnis, dass ein Großteil der neuen Stellen mindestens halbe Stellen sein müssen und nur noch für den Unterricht sogenannnter „Nischeninstrumente“ deutlich niedrigere Stellenvolumen zu realisieren sind. Konkret sollten 13,25 VbE in mehr als 20 Stellenbesetzungsverfahren übersetzt und unbefristet realisiert werden. Für einen Umsetzungszeitraum von knapp vier Wochen eine gewaltige Aufgabe. Zumal klar war, dass der ursprüngliche Schuljahresbeginn am 1. August nicht realisierbar sein würde, weil der notwendige finale Stadtratsbeschluss erst Mitte August erfolgen konnte.
Wie weiter? Ein externes Ausschreibungsverfahren hätte aufgrund der zeitlichen Abfolgen eine Neubesetzung frühestens im November 2024 ermöglicht. Das hätte für 680 Schüler:innen mindestens 3 Monate Unterrichtsausfall und für die Honorarlehrer:innen mindestens 3 Monate Honorarausfall bedeutet. Vor diesem Hintergrund wurde gemeinsam mit dem Fachdienst Recht, dem Stadtkämmerer und dem Personalrat der Stadt Jena nach weiteren, schnelleren Lösungen gesucht und letztlich in der Durchführung interner Besetzungsverfahren, unter Einbeziehung aller im letzten Schuljahr an der MKS beschäftigten Honorarkräfte, gefunden. Darüber hinaus konnten mit Zustimmung der Stadtspitze und des Personalrates die Bewerbungsverfahren bereits parallel zu den Beschlussverfahren in den politischen Gremien und in der finalen Besetzung gestartet werden. Selbstverständlich unter Vorbehalt des positiven Stadtratsvotums.

Bis dahin war aber noch ein engabgestimmter und getakteter kommunikativer Marathon für Werkleitung und MKS-Leitung zu absolvieren. Schüler:innen, Eltern, die bereits Festangestellten und die bisherigen Honorarkräfte mussten transparent und trotzdem sensibel informiert werden; Kommunalpolitiker:innen sollten von dem gemeinsamen Ziel und der Notwendigkeit in kürzester Zeit überzeugt werden. Das alles kurz vor Schuljahresstart, mit dem Anspruch ein komplexes Verfahren in kommunikative Einfachheit und Ehrlichkeit zu übersetzen. Informationsbriefe wurden versandt, Gruppengespräche und vor allem unzählige Einzelgespräche wurden zwischen Ende Juli und Mitte August geführt. Fachlich ausgedrückt … die Hohe schule des Stakeholder-Managements. Menschlich beschrieben … ein stetiges Werben um Verständnis und Vertrauen. Letztlich erfolgreich.

Zum gesamten Prozess ergänzt die Leiterin Personal/Organisation von JenaKultur, Yvonne Abraham:

„Diese Auswahlverfahren waren eine ganz besondere Erfahrung. Dies betrifft nicht nur das sehr kurze und dadurch unglaublich intensive Zeitfenster im Sommer diesen Jahres, sondern auch die unglaublich offene und wertschätzende Kennenlernphase mit den ehemaligen Honorarkräften, die sich dem Auswahlprozess gestellt haben. Ich habe in kürzester Zeit so viele unterschiedliche, hoch engagierte und besondere Personen kennenlernen dürfen. Dafür möchte ich mich bedanken und dies bleibt definitiv in sehr positiver Erinnerung. Ohne die tolle Zusammenarbeit sowohl innerhalb des Eigenbetriebes, natürlich vor allem mit den Kolleg:innen in der MKS, als auch den stadtinternen Unterstützern wäre das so nicht möglich gewesen.“

Die Bigband der MKS
Die Bigband der MKS | © JenaKultur, F. Rebener

Das Ziel

Die Mitglieder des Stadtrates haben in ihrer Sitzung am 21. August 2024 dem von der JenaKultur-Werkleitung und dem Oberbürgermeister, Dr. Thomas Nitzsche, vorgelegten Beschluss zur Umsetzung des „Herrenberg“-Urteils an der Jenaer Musik- und Kunstschule einstimmig und mit hoher Wertschätzung der dort geleisteten Arbeit zugestimmt. Ab 1. September konnten somit 30 neue Kolleg:innen im Team von JenaKultur bzw. der Musik- und Kunstschule Jena begrüßt werden. Die MKS beschäftigt somit nun 75 Mitarbeiter:innen und ist nach der Jenaer Philharmonie nun die größte Einrichtung von JenaKultur und gleichzeitig die größte schulische Einrichtung Jenas.

Die Mehrkosten in Höhe von etwa 120.000 Euro im Jahr 2024 können dank positiver Quartalsergebnisse von JenaKultur im Rahmen des laufenden Wirtschaftsplans gedeckt werden. Für die Folgejahre 2025 bis 2028 werden jährliche Mehrkosten von rund 450.000 Euro erwartet. Diese werden in der nächsten Zuschussperiode durch die Auflösung von Überschussvorträgen aus den vergangenen JenaKultur-Geschäftsjahren finanziert.

Ein Blick in die Zukunft

Am Ende bleibt zu resümieren, dass dieses klare Bekenntnis der Stadtpolitik zur Musik- und Kunstschule Jena eine Investition in die außerschulische Bildung von mehr als 3.000 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen darstellt. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit in Zeiten herausfordernder kommunaler Haushalte.

Ein Meilenstein auf dem Weg der Sicherung des hohen Bildungsniveaus der Musik- und Kunstschule Jena und ein wichtiges Zeichen für die Zukunft und Bedeutung der kulturellen Bildung in der Stadt und darüber hinaus!

Dieser Prozess und dessen Intensität haben gezeigt, was in unserer Stadt, aber auch bei JenaKultur möglich ist, wenn die unterschiedlichen Stärken gebündelt werden und in einem Team an gemeinsamen Zielen gearbeitet wird. Und es zeigt, warum die 2005 erfolgte strukturelle Bündelung einiger der wichtigsten Jenaer Kultureinrichtungen in einem Eigenbetrieb auch nach fast 20 Jahren noch immer eine hervorragende Idee ist.

Das AGB Orchester der MKS
Das AGB Orchester der MKS | © JenaKultur, MKS
Das Jugendsinfonieorchester der MKS
Das Jugendsinfonieorchester der MKS | © JenaKultur, C. Staemmler

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