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Von der zentral geleiteten zur kommunal gestalteten Kultur – JenaKultur-Blog
Allgemein JenaKultur (übergreifend) Kulturpolitik

Von der zentral geleiteten zur kommunal gestalteten Kultur

Jenaer Weihnachtsmarkt 1995

30 Jahre Friedliche Revolution: Ein Rückblick auf 30 Jahre Kultur in Jena  – Teil 1 von Dietmar Ebert

Die Kulturentwicklung in der DDR war zentral geplant, geleitet und finanziert. Das führte zu eklatanten Finanzierungsungerechtigkeiten, wie zum Beispiel zwischen der damaligen Bezirksstadt Gera und der Industrie- und Universitätsstadt Jena. Die Abteilung Kultur und deren Leiter unterstanden sowohl dem Oberbürgermeister der Stadt Jena, als auch dem Kulturverantwortlichen beim Rat des Bezirkes Gera. Die Freiheitsgrade ihres Handelns waren durch die Beschlüsse der SED-Kreisleitung und die Kontrolle durch die Kreisdienststelle des MfS eingeschränkt. Trotzdem gab es sie. Die Kulturentwicklung unterlag in der DDR strengen politischen und ideologischen Vorgaben. Natürlich versuchten Schriftsteller, Theaterleute, Filmemacher, Bildende Künstler und Komponisten die Grenzen des Sagbaren hinauszuschieben. Vielleicht hat das am erfolgreichsten Christoph Hein mit seiner Rede auf dem X. Schriftstellerkongress 1987 praktiziert, in der er die Abschaffung der Zensur forderte.

An der Friedlichen Revolutionen waren wie im ganzen Land, so auch in Jena Künstler beteiligt. Erinnert sei an Rainer Schumachers Ölbild „Wir sind das Volk“, das während des Kunstmarkts im Romantikerhaus ausgestellt war, oder an das von Olaf Henzold (Dresden) geleitete Konzert der Jenaer Philharmonie mit Beethovens siebter Sinfonie am 5. November 1989 in Jenas Stadtkirche St. Michael „Wider das Vergessen“. Nach diesem Benefizkonzert wurde eine Spende von mehr als 2.515 Mark an die Konsistorialkasse der Evangelischen Kirche Berlin überwiesen, die den friedlichen Demonstranten zu Gute gekommen ist, die bei den Demos am 7. Oktober 1989 gesundheitliche Schäden erlitten hatten.

In den Folgemonaten fanden jeden Samstag im Kino-Theater „Palast“ kulturpolitische Foren statt, die zunächst von Rainer Schumacher, später von Klaus Hattenbach, moderiert wurden. Aus ihnen kristallisierten sich in der Folge der wieder gegründete Jenaer Kunstverein und die soziokulturelle Initiative „Kassablanca“ heraus, die ihr erstes Domizil in der ehemaligen Fischer-Villa erhielt, bis 1989 Sitz des „Clubs der Intelligenz“ innerhalb des Kulturbundes.

Je mehr sich der Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes der BRD abzeichnete, desto intensiver, fast hektischer arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur daran, den kulturellen Kernbestand der DDR in ein anderes politisches und Gesellschaftssystem zu übertragen. Dabei beriet Volker Plagemann, Senatsdirektor der Hamburger Kulturbehörde und Vorsitzender des Kulturausschusses des Deutschen Städtetags, das letzte Kulturministerium der DDR. In diesen Beratungen wurde z. B. die Gründung einer Stiftung für die ostdeutschen Länder beschlossen, in die der Kulturfonds der DDR Eingang fand. Darin enthalten waren die obligatorischen 5 Pfennige pro verkaufter Eintrittskarte und die 10 Pfennige pro verkaufter Schallplatte. Über die Jahre hatte sich im Kulturfonds, der beim Ministerium für Kultur angesiedelt war,  ein stattlicher Betrag angesammelt, der nicht im gesamten Bundeshaushalt verschwinden sollte. Ebenso wurden die dem Ministerium für Kultur unterstellten Immobilien, wie Schloss Wiepersdorf, in die Stiftung eingebracht, die am 2. Oktober 1990 Rechtskraft erhielt. Die noch heute bestehende Thüringer Kulturstiftung ist eine ihrer Rechtsnachfolgerinnen.

In einer der Beratungen im Ministerium für Kultur, an denen Klaus Hattenbach und ich als Vertreter der Stadt Jena teilnahmen, stellte ich die Frage, was aus den Kulturhäusern, Jugendclubs und Laienensembles der volkseigenen Betriebe werden solle. Darauf konnte niemand eine Antwort geben. Vergleichbares gab es in der alten Bundesrepublik nur in Ausnahmefällen, und bei einem Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes konnte die betrieblich finanzierte Kultur nicht in das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik transformiert werden.

In den Folgejahren verkauften im Zuge der Privatisierung auch in Jena die Großbetriebe ihre Ferienheime und Kulturhäuser. Die Jugendclubs wurden geschlossen. Viele der Laienensembles, für die stellvertretend das Sinfonieorchester Carl zeiss und das von Manuela Schwarz geleitete Tanzensemble genannt seien, existieren bis heute als Vereine weiter und erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit.

Die staatlichen Kultureinrichtungen befanden sich zu DDR-Zeiten in Volkseigentum. Sie mussten in kommunales Eigentum überführt werden. Dass das reibungslos funktionierte, ist vor allem der langjährigen, verdienstvollen Mitarbeiterin des Jenaer Kulturamtes, Bärbel Wachenschwanz, zu verdanken. Wenn auch mit stark reduziertem Mitarbeiterstamm, so konnten doch fast alle staatlich geleiteten Kulturinstitutionen in kommunale Einrichtungen überführt werden. Das Kulturhaus in Jena-Lobeda-West sollte nicht verkauft, sondern verpachtet werden. 1992 wurde es geschlossen.

Unter den Buchhändlerinnen und Buchhändlern regte sich massiver Widerstand gegen den Verkauf aller staatlichen und Kommissionärsbuchhandlungen des Bezirks Gera an die Buchhandelskette „Gondrom“. So konnte zunächst in der Schlossgasse gegenüber dem Hauptgebäude eine Universitätsbuchhandlung eröffnet werden. Die Jenaer Bücherstube und die Buchhandlung „Steen“ wurden privat weitergeführt und haben bis heute ihren festen Kundenstamm. Lediglich die „Galerie“ im Stadthaus, die dem „Staatlichen Kunsthandel“ unterstand, konnte in dieser Form nicht weiter existieren. Kurzzeitig wurde sie als städtisch getragene Galerie betrieben. Das war auf Dauer nicht möglich. Ihre Schließung wurde durch die Eröffnung der von Gudrun Philler geführten Galerie „Handwert“ kompensiert.

„Verglichen mit den Umbrüchen in der Wirtschaft vollzog sich der Übergang von der staatlich geleiteten zur kommunal gestalteten Kultur in Jena ohne große Blessuren.“

Das ist der „Großen Koalition“, die sich nach den ersten demokratischen Kommunalwahlen 1990 gebildet hatte, und dem Augenmaß der Mitglieder des damaligen Kulturausschusses zu danken.

Die Jahre 1989 und 1990 waren gleichzeitig die entscheidenden Jahre eines Aufbruchs und Neubeginns in der Jenaer Kulturszene.

Mehr dazu können Sie am Mittwoch lesen!

Dietmar Ebert

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