Beim Programm der Volkshochschule Jena (vhs) haben die Bürger*innen die Qual der Wahl: Aus insgesamt 19 verschiedenen Sprachen kann man – je nach individuellem Sprachniveau und Schwerpunkt – auswählen. Von A wie Arabisch über D wie Deutsch als Fremdsprache oder G wie Gebärdensprache bis hin zu U wie Ungarisch gibt es eine Vielzahl von Sprachkursen, die von aktuell 62 verschiedenen Dozent*innen betreut werden. Damit jede*r den passenden Kurs findet, stehen Interessierten Frau Weidner, als Leiterin des Fremdsprachenbereich, sowie ihre Kollegin Frau Bergmann als kompetente Ansprechpartnerinnen für eine maßgeschneiderte Beratung zur Verfügung.
Frau Weidner, selbst gebürtige Kolumbianerin, ist seit mehr als zehn Jahren in Thüringen und weiß, was es heißt, in eine neue Sprache und Kultur einzutauchen. Sie organisiert und plant das Kurs-Programm, betreut Lernende sowie Lehrende und sorgt dafür, dass die Sprachkurse der Volkshochschule mit modernen, didaktisch ansprechenden Materialien und Methoden gestaltet werden. Es ist für jede*n Sprachbegeisterte*n und lernwillige*n Neugierige*n etwas im Programm: So gibt es beispielsweise bald Koreanisch-Kurse für Kinder und Jugendliche, die Fans koreanischer Pop-Bands sind. Aber auch Erwachsene, die in ihrer Schulzeit kein oder wenig Englisch oder Französisch lernen konnten, finden bei der Volkshochschule weiterhin einen passenden Kurs. Geht es nach Frau Weidner, soll das Angebot auch noch erweitert werden und vielleicht einmal eine afrikanische Sprache im Programm aufgenommen werden.
Die Motivation der Teilnehmer*innen zwischen 8 und 85 Jahren ist dabei sehr unterschiedlich: Manche wollen für den Urlaub lernen oder in der Partnerschaft auch die Muttersprache des anderen verstehen. Andere wollen ihre geliebten japanischen Mangas verstehen lernen oder sich auf ein Auslandsjahr oder eine Prüfung vorbereiten. Letztlich geht es vielen aber um mehr als das Beherrschen von Grammatik und Vokabeln der fremden Sprache. So berichten Teilnehmer*innen, dass der Mehrwert in der Anwendung der Sprache in Situationen des Alltags sowie dem Zugang zu anderen Kulturen und Menschen liegt. Hinzu kommt der Wunsch, fit und aktiv zu bleiben, Kontakt mit anderen Menschen zu knüpfen, von anderen Teilnehmenden zu lernen, spannende Gespräche zu führen und ein Leben lang zu lernen. Eine Teilnehmerin antwortete auf die Frage nach ihrer Motivation: „Ich lerne so lange wie es geht!“ Am Anfang des Lernens brauche es einen Impuls, wie eine geplante Reise, aber dann ginge es meist um weit mehr, so die Leiterin der vhs, Frau Dr. Anding. Freude an der Sprache, Spaß am Lernen als solches und das Treffen von Gleichgesinnten stünden dabei ganz oben auf der Liste.
„Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“
Johann Wolfgang Goethe (Maximen und Reflexionen, 1821)
„Kultur und Sprache bilden eine enge Verbindung: Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Es gibt Konzepte und Ideen, die in einer Sprache zum Ausdruck gebracht werden und in der anderen nicht. Allein das verschafft den Menschen die Möglichkeit, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten“, so Frau Weidner. Als Beispiel für Begriffe, die es nur im Deutschen gibt, nennt die Spanisch-Muttersprachlerin „Fernweh“ und „Zeitgeist“. Passend dazu empfiehlt Frau Weidner das Buch „Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay (2020 / Hanser), in dem über die umfassende Rolle von Sprache im Leben und Denken eines Menschen eingegangen wird. Gümüşay schreibt: „Sprache öffnet uns die Welt, sie kann uns ermöglichen, in die Gedankenwelt eines wildfremden Menschen einzutauchen, in andere Länder gedanklich zu reisen, in andere Welten und Lebensweisen, in die Realitäten von Menschen, die wir nie zuvor getroffen haben.“
Auch im Fachbereich Sprachen der vhs ist man sich bewusst, dass das Lernen einer Sprache eine große Herausforderung sein kann. Beim Sprachenlernen werde der Mensch mit sich selbst und der Welt bzw. Kultur der anderen Sprache konfrontiert, so Frau Weidner. Dies schaffe sowohl Verständnis für die andere Kultur und deren Betrachtungsweise auf die Welt als auch die Dringlichkeit, sich mit der eigenen Sprache, den eigenen Konzepten auseinanderzusetzen. Als Beispiel führt sie an: „Im Deutschen wird mehr Aktiv, im Spanischen mehr Passiv verwendet. Im Spanischen dekoriert man die Aussagen, im Deutschen ist man direkter. So bin auch ich über die Jahre in Deutschland im Spanischen sehr direkt geworden, sagen meine Freunde. Das zeigt auch, dass man selten Vokabeln und Grammatik einfach übersetzen kann, sondern eben auch kulturelle Gepflogenheiten mitlernen muss.“ Die fremde Sprache zeigt den Lernenden ihre eigenen gedanklichen Grenzen auf und animiert dazu, sich selbst zu reflektieren. Und auch Frau Dr. Anding bestätigt: „Das Erlernen einer neuen Sprache konfrontiert uns mit den Grenzen des eigenen Denkens. Es geht immer auch um verschiedene kulturelle Systeme, Werte oder Visionen.“ Dies sei für die Integration von Migrant*innen in Deutschland, aber auch für die Toleranz und den Respekt gegenüber anderen Kulturellen essentiell.
Sowohl für die Lehrenden sei dies eine große Herausforderung wie auch für die Lernenden, die mit einer großen intrinsischen Motivation und viel Disziplin an die Sache heran gehen müssten, wenn sie in einer Sprache über die Möglichkeit, ein Brot kaufen zu können, hinaus reichen wollten. Im besten Fall bereite dies natürlich auch Freude, meint Anding augenzwinkernd und verweist damit auf eine wichtige motivationale Perspektive und den Anspruch der vhs.
Apropos Herausforderungen: Was macht Corona mit den Sprachkursen?
Die aktuellen Einschränkungen belasten natürlich auch den Sprachunterricht an der vhs. Direkte Begegnungen werden schwieriger, die Teilnehmendenzahlen müssen aufgrund der Raumkapazität signifikant reduziert werden; einige Teilnehmer*innen haben Angst vor einer Infektion. Aber insgesamt ist man vor Ort gut aufgestellt: Infektionsschutzkonzepte sind mittlerweile erprobt. Es werden neue Wege gegangen und die Digitalisierung der Angebote voran gebracht. Positiv betrachtet wird aus der Krise ein Treiber für mehr Flexibilität und Kreativität, für eine neue Wertschätzung des eigentlich Selbstverständlichen. Doch längst nicht alles funktioniert digital, da die Begegnungen vor Ort immer noch ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Kurswahl darstellen. Wie auch sonst im Leben, macht es am Ende die Mischung. Die vhs bietet auch weiterhin – sei es digital oder analog, also analogital – die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern. Damit öffnet sie ganz konkret, hier in Jena, den Blick für das große Ganze, den Blick der einzelnen Bürger*innen auf ferne und nahe Welten. Oder um es mit der Autorin Gümüşay zu sagen: „Ich glaube, in dem Moment, in dem wir im Bewusstsein für die Begrenztheit unserer eigenen Perspektive uns durch die Welt bewegen, werden wir die Mauern der Sprache öffnen, werden wir menschlicher miteinander sprechen können.“
Haben Sie schon einmal einen Sprachkurs an der vhs Jena besucht? Oder steht es noch auf Ihrer To-Do-Liste? Wir freuen uns auf Ihre Erfahrungsberichte und Anregungen für neue Sprachangebote.