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Der Fall Petersen
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Der Fall Petersen

Jena-Plan-Pädagogik, Mittelgruppe  ©Peter-Petersen-Archiv Vechta, Dr. Peter Remmert
1935, Familienfeier  ©Peter-Petersen-Archiv Vechta, Dr. Peter Remmert

Peter Petersen stellte der internationalen Öffentlichkeit 1927 in Locarno den Kleinen Jena-Plan vor. Es handelte sich um ein Schulentwicklungsmodell, das sowohl auf die Eigenständigkeit „einer freien allgemeinen Volksschule“ gegenüber Kirche und Staat als auch auf eine enge Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus orientierte. Petersens Jenaer Schulversuch fand weltweit Beachtung. Gleichzeitig wurde er als Erziehungswissenschaftler wegen seiner Kooperation mit dem NS-Regime spätestens ab 1945/46 durchaus kritisch gesehen.

Workshop & Aufarbeitung

Die Veröffentlichung von Dr. habil. Benjamin Ortmeyer „Mythos und Pathos statt Logos und Ethos“ aus dem Jahr 2008 löste in Jena heftige Diskussionen um Peter Petersen und seine Rolle im Nationalsozialismus aus, womit eine fast zweijährige Auseinandersetzung über die heutigen Anforderungen an eine zeitgemäße lokale Erinnerungs- und Gedenkkultur einherging. Diese intensive öffentliche Debatte führte 2011 zu dem Beschluss des Stadtrats, den Petersenplatz in JenaPlan umzubenennen.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung und Auseinandersetzung wird in Jena und an anderen Orten fortgeführt. Zur Präsentation der Zwischenergebnisse führte die Stadt Jena gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universität am 4./5. November 2010 einen öffentlichen Workshop mit dem Titel "Peter Petersen und die Jenaplanpädagogik. Historische Befunde und Aktualität" durch.

Peter Petersen und die Jenaplan-Pädagogik. Historische und aktuelle Perspektiven ©Franz Steiner Verlag

Die Kontroverse um Peter Petersen und die Jenplan-Pädagogik in der NS-Zeit regte weitere Publikationen an, die das breite Meinungsspektrum unter den Autoren*innen repräsentieren:

  • Torsten Schwan: "Ich werde rücksichtslos gegen den Liberalismus, Demokratie und das Judentum schreiben und reden": zum Rassismus und Antisemitismus in der Jenaplan-Pädagogik nach 1933, in: Zeitschrift für Pädagogik, Bd. 56 (2010), 3, S.414-436.
  • Hein Retter: Die Universitätsschule Jena. Zufluchtsort für bedrohte Kinder im Nationalsozialismus (Bausteine zur Jenaer Stadtgeschichte, 13), Jena 2010.
  • Torsten Schwan: " ... um die aus der Weimarer Zeit übernommene Substanz zu sichern"? Peter Petersen, der Nationalsozialismus und die defensiven Traditionen aktueller Rezeptionsentwicklungen, Frankfurt am Main 2011.
  • Peter Petersen und die Jenaplan-Pädagogik. Historische und aktuelle Perspektiven. Herausgegeben von Peter Fauser, Jürgen John und Rüdiger Stutz unter Mitwirkung von Christian Faludi, Stuttgart 2012.
  • Margot Pampel / Felicity Zwalf: As chance would have it: from Jena to Melbourne, Caulfield South, Victoria, Australia [2017].

NS-Kommunalpolitik und Zwangsarbeit in Jena

Studienband "Nationalsozialistische Lager und ihre Nachgeschichte in der Stadtregion Jena" ©Städtische Museen Jena

2015 erschien der Studienband "Nationalsozialistische Lager und ihre Nachgeschichte in der Stadtregion Jena", den Dr. Marc Bartuschka im Auftrag der Stadt Jena herausgab. Er dokumentiert Jena erstmals als eine "Stadt der Lager". Obwohl gerade in den letzten Jahren des II. Weltkriegs Baracken- und Zwangsarbeitslager das Stadtbild weithin prägten, erinnert heute fast nichts mehr an ihre früheren Standorte.

In elf Fallstudien arbeiten die Autorinnen und Autoren systematisch die verschiedenen Lagertypen auf, die für deutsche Arbeitskräfte, Deutsche mit jüdischem Familienhintergrund, vor allem aber für ausländische Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge im Jenaer Stadtgebiet entstanden. Sie beleuchten das Schicksal der Bewohner dieser Behelfsunterkünfte und untersuchen Fragen wie: Welche soziokulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führten zur Errichtung dieses Lagerkosmos in der Stadt? Welche Rolle spielten staatliche, kommunale und betriebliche Institutionen beim Ausbau der NS-Barackenlager? Und wie gingen Stadtverwaltung und Stiftungsunternehmen nach 1945 unter juristischen, erinnerungskulturellen und vergangenheitspolitischen Gesichtspunkten mit diesem Kapitel der Jenaer Stadtgeschichte um?

Die Publikation ist im Museumsshop des Stadtmuseums Jena erhältlich.

Jena als "sozialistische Modellstadt" der 1960er Jahre

Aufsatzband "Der Traum von Technopolis" ©Verlag Janos Stekovics

Jena wandelte sich seit den 1870er Jahren in nicht einmal einhundert Jahren von einem "Universitätsdorf" (Ernst Haeckel) überschaubarer Größe zu einer Großstadt mit forschungsintensiven Standorten der Feinmechanik/Optik bzw. des Optischen Glases und der Biowissenschaften. Der 2012 veröffentlichte Aufsatzband "Der Traum von Technopolis" unterstreicht, dass in diesem Jahrhundertprozess sog. "weiche" Standortfaktoren wie kreative Milieus und kulturelle Toleranz für die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt von ebenso großer Bedeutung waren wie neue industrielle Technologien.

In dem Band wird das sprunghafte Wachstum Jenas als Stadt "der Wissenschaft und Technik" in Abhängigkeit von einem einzigartigen Zusammenspiel von Industrie-, Bildungs- und Stadtkultur interpretiert. Nachdem Ende der 1950er Jahre der Wiederaufbau der zerstörten Altstadt begonnen hatte, mündete die Fortschrittseuphorie der 1960er Jahre in dem Plan, die gesamte Jenaer Innenstadt niederzulegen, um Baufreiheit für den Neubau einer monströsen Hochhausstadt zu schaffen, einer Art "Technopolis". Diese sollte sich vom Westbahnhof bis nach Wenigenjena erstrecken.

Das mit Unterstützung der Universität und der Stadt Jena gedruckte Buch erschien im Verlag Janos Stekovics und ist über Online-Buchshops und die Jenaer Tourist-Information am Markt 16 zu beziehen.

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