Im Mai 2020 haben wir in einer Interviewreihe zum 30. Geburtstag des Jenaer Kassablanca ein Interview zwischen Frank Döbert und Christian Gesellmann veröffentlicht. Darin berichtet Frank Döbert, den viele als umtriebigen Lokaljournalisten kennen und dessen Arbeit auch in den großen Medienredaktionen des Landes, wie etwa dem ZDF geschätzt und nachgefragt waren, folgende Begebenheit:
„[…] Als Jugendliche dieses Haus (nahe beim Kassa, Anm. d. Red.) im Mai 1994 besetzten, gab es nicht nur – wie auf andere Treffpunkte alternativer Jugendlicher ebenfalls – regelmäßig Überfälle von Nazis. Auch die Polizei wurde eines Samstags mal von einem Wachdienst herbeigerufen, der die Besetzung bemerkt hatte. Weil gerade ein Fußballspiel mit hohem Polizeieinsatz in der Stadt gewesen war, standen dann plötzlich etwa zwei Dutzend Mannschaftswagen vor der Tür, und die Beamten wollten mal eben aufräumen. Ich war damals als Reporter vor Ort, und da ich schon einige Male über übertriebene Polizeieinsätze gegen die alternative Szene berichtet hatte, kannte man mich als kritischen Berichterstatter. Man mochte mich nicht unbedingt, aber als Zeitungsvertreter konnte ich als Vermittler auftreten. […]“
Diese Selbstcharakteristik beschreibt viel von Frank Döberts Credo: genau hinschauen, präzise recherchieren, Hintergründe aufdecken, Finger erbarmungslos in Wunden legen.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche nannte ihn zurecht in seiner Würdigung aus Anlass der nochmaligen Präsentation seiner 2024 ergänzten Ausstellung „Der Weg in den Untergrund. Jena und der ‚NSU‘“ im Januar diesen Jahres in der Stadtkirche St. Michael einen verdienstvollen „Mahner und Aufklärer“, der unbedingt weitermachen solle, auch wenn seine Befunde mitunter schmerzten.
Leider kann er nun nicht weitermachen. Frank Döbert ist am 19. April gestorben.
Bei JenaKultur gab es zahlreiche Projekte, die mit ihm zusammen realisiert oder journalistisch von ihm begleitet wurden. Herausragend sind zwei Ausstellungsprojekte, eines haben wir bereits genannt: Frank Döbert hat als Journalist den Weg des NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in den Untergrund verfolgt und dabei auch das eklatante Versagen von Behörden über viele Jahre hinweg immer wieder angeprangert. Die dokumentarische Ausstellung sollte unbedingt weiter wandern, um aufzuklären. Wir hatten auch vor, mit ihm darüber zu beraten, wie wir daraus eine Publikation machen könnten, um seine Befunde einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ebenso eindrucksvoll war seine Spurensuche zum Jenaer Polizeibataillon 311 im 2. Weltkrieg. Die Ausstellung „Vorerst ist alles noch ganz harmlos“ – präsentiert vom 12. Februar bis 26. April 2009 im Stadtmuseum Jena – rekonstruierte die Verbrechen des Bataillons anhand von Einzelschicksalen.
Immer wieder mahnte nicht erst seitdem Frank Döbert lautstark an, dass es unbedingt einen NS-Lernort in Jena geben müsse, um jungen Leuten Geschichte so nahe zu bringen, dass sie mit dem Wissen über historische Hintergründe Bezüge zur Gegenwart herstellen könnten. Den einen Lernort gibt es noch nicht, wohl aber ist ein umfassendes NS-Gedenkkonzept in Arbeit, das gerade auch pädagogische Flankierungen als immanenten Bestandteil einfordert. Es wird noch in diesem Jahr zur Diskussion in die politischen Gremien gehen. Frank Döberts unbequemer Beharrlichkeit auch in diesem Punkt sei gedankt.
Dank gilt ihm auch hat für die freundliche Freigabe von Fotos aus seinem Privatarchiv, mit denen das Jenaer Stadtlexikon bereichert werden konnte.
Kolleg:innen schrieben bei der Nachricht von seinem plötzlichen Tod, dass sie ihn sehr geschätzt haben, „weil er nicht nur ein Sammler von seltenen Zeugnissen der Jenaer Geschichte war, sondern auch intensiv in schwierigen Themen recherchiert hat.“ Ja, das sei so wichtig gewesen: „Es ist nicht einfach und sicherlich auch sehr bedrückend, sich mit diesen Schattenseiten auseinanderzusetzen. Dafür gebührt ihm unser Respekt und unsere Anerkennung“. Und aus dem Kassa erreichte uns die folgende, sehr persönliche Würdigung, die wir hier als Download freundlicherweise zur Kenntnis geben dürfen.
Wir können dem nur hinzufügen, dass seine Stimme fehlen wird. Gleichwohl werden wir das Andenken an Frank Döbert bewahren und wünschen seiner Familie Kraft in diesen schweren Stunden.
Bin bewegt und traurig, Worte fehlen, ahoi Frank…
Inge, ehemals Kassablanca
Danke, Jena-Kultur, für den Nachruf auf Frank Döbert,
und Danke, Alf K. Heinecke, für die lebendigen Erinnerungen an Frank Döbert.
Mit dem, was er angefangen hat, hinterlässt er jedem, dem Jena am Herzen liegt,
eine Menge Arbeit.
Danke, Frank Döbert