Lotse im Dschungel von Förderprogrammen
Damit Ideen umgesetzt werden können, brauchen freie Akteure zweierlei Arten von Unterstützung, Beratung und Förderung. Die Kulturförderung Jena, in persona Katrin Richter, handelt JenaKultur im Auftrag der Stadt bzw. des Kulturausschusses. Sie nimmt Anträge entgegen, bereitet sie für die politische Entscheidung auf, reicht Gelder aus und kontrolliert die ordnungsgemäße Abrechnung der Fördermittel. Um keine Compliancekonflikte heraufzubeschwören, wurde für die Beratung bei der Einwerbung finanzieller Mittel, der Strukturierung der Ideen und manchmal der Schaffung einer organisatorischen Form 2014 eine separate Stelle geschaffen. Diese Kulturberatung Jena, in persona Claudia Dathe, ist angesiedelt bei der Bürgerstiftung und finanziert durch JenaKultur. Heute stellt sich Claudia Dathe hier vor:
Zu Besuch: Claudia Dathe, Kulturberatung Jena
Konzerte, Lesungen, Performances, Tanzabende – das alles und noch viel mehr bereichert unseren Alltag, bringt uns zum Nachdenken und macht das positive Lebensgefühl einer Stadt aus. JenaKultur gestaltet mit der Jenaer Philharmonie, der Ernst-Abbe-Bücherei Jena, den Städtischen Museen und seinen anderen Einrichtungen ein breites kulturelles Angebot, und dennoch gibt es viele Bereiche, die sich nicht entwickeln würden, gäbe es nicht die Vereine, Initiativen und Einzelpersonen, die ihre Ideen und Anregungen in die Stadt tragen.
Damit die Ideen und Anregungen auch umgesetzt werden können, brauchen freie Akteure Unterstützung: in der Einwerbung finanzieller Mittel, in der Strukturierung der Ideen und manchmal auch in der Schaffung einer organisatorischen Form.
Diese Unterstützung leistet seit 2014 die Kulturberatung. Angesiedelt an der Bürgerstiftung Jena und finanziert durch JenaKultur, kümmere ich mich um alle Belange, die die Arbeit der Kulturvereine betreffen.
Mit der Förderung der Vereinsberatungsstelle schafft JenaKultur Abhilfe für ein zentrales Problem in einer dynamischen und wachsenden Stadt: Es gibt viele Interessierte, die sich kulturell betätigen und entfalten wollen, jedoch sind die städtischen Mittel in der Kulturförderung begrenzt. Zwar gibt es viele andere Fördermöglichkeiten, zum Beispiel durch privatrechtliche Stiftungen oder Landes- und Bundesprogramme, aber für die ehrenamtlichen Aktiven ist es schwer, in angemessener Zeit das richtige Programm für das eigene Projekt zu finden. Die Recherche erfordert einen genauen Blick für thematische Anforderungen, Fristen und Förderhöhen. Ich unterstütze die Akteure der freien Kulturszene in genau dieser Arbeit: Ich lichte den Dschungel an Förderprogrammen und bahne einen Weg zur Finanzierung der Projektidee.
Kernstück der Arbeit ist das individuelle Gespräch.
Claudia Dathe
Interessierte können in der Kulturberatung einen Termin vereinbaren und ihre Fragen vortragen. Die Konsultation reicht vom Austausch über Projektideen und deren Strukturierung über die Suche nach geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten und die Korrektur von Antragstexten bis hin zur Erstellung von Kosten- und Finanzierungsplänen und rechtlichen Auskünften zur Vereinsgründung.
Wenn die Ratsuchenden zu ihrem Termin kommen, sind die geäußerten Ideen oft noch recht vage. Dann hilft es, wenn der Konsultierende und ich gemeinsam überlegen, wie ein Projekt konkret ausgestaltet werden kann, wen es ansprechen soll und welche Kosten dabei entstehen. Außerdem wird thematisiert, wie das geplante Projekt sich in die Entwicklung der Stadt einfügt und welche Ziele der Idee zugrunde liegen. Oft sind den Ideengebern die Ziele nicht bewusst, im Gespräch finden wir sie heraus und formulieren sie. Wenn zum Beispiel ein Lesenachmittag für Kinder zum Thema „Die Geschichte Thüringens“ veranstaltet werden soll, geht es nicht nur darum, den Kindern so etwas Abstraktes wie Geschichte nahezubringen, sondern sie aufzuschließen für die Erfahrungen anderer Generationen, für Lebensgeschichten und Brüche, für die Verbindung historischer Ereignisse und persönlicher Erfahrungen. Oder wenn ein Tanzabend stattfindet, geht es nicht nur um die sportliche Betätigung, sondern auch um die Schaffung von Begegnungsräumen für Menschen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft.
Wenn die Ideen konkretisiert und die Ziele formuliert sind, geht es zumeist darum, Finanzquellen zu finden. Viele Fördergeber haben einen Antragsvorlauf von vier bis sechs Monaten und nur eine oder zwei Antragsfristen pro Jahr. Deshalb passiert es häufig, dass Interessierte eine tolle Idee nicht umsetzen können, weil sie die Suche nach der Förderung zu spät beginnen.
Schwierig zu realisieren sind auch Dauerfinanzierungen. Finanzielle Förderungen werden fast ausschließlich in Form von Projektförderungen vergeben. Das bedeutet, dass ein geplantes Vorhaben in sich geschlossen sein muss. Für viele Akteure ist die Projektorientierung der Fördergeber ein Quell des Ärgernisses: Sie haben etwas Tolles etabliert, zum Beispiel eine Workshop- oder Konzertreihe, und möchten diese fortführen, finden aber dafür kein Geld, weil es sich nicht um ein begrenztes Projekt handelt.
Auch die zögerliche Vergabe von Personalmitteln ist für viele Vereine ein Problem. Wenn die Arbeit gut läuft, fallen oft so viele Aufgaben an, dass die Vereinsmitglieder diese ehrenamtlich nicht mehr bewältigen können. Sie möchten dann eine Stelle schaffen, und genau das ist in den meisten Förderprogrammen nicht möglich. So passiert es oft, dass Aktivitäten, die viel Zuspruch erhalten, von den Vereinen wieder eingestellt werden, weil der Arbeitsaufwand für das Ehrenamt zu hoch ist.
Trotz dieser Einschränkungen ist es in den letzten vier Jahren gelungen, zahlreiche Förderer von guten Projektideen Jenaer Vereine zu überzeugen, u. a. die Bundeszentrale für politische Bildung für ein deutsch-französisches Jugendbegegnungsprojekt, die Heidehof-Stiftung für eine Konzertreihe alter Musik, die Sparkassenstiftung Hessen-Thüringen für veranstaltungen zum 9. November und das IKGS München für ein Ausstellungs- und Theaterprojekt über die deutsche Minderheit in Rumänien und in der Ukraine. Besonders bereichernd ist die Förderung der Kulturstiftung des Bundes für den Kulturschlachthof, da dort neben den veranstaltungen mit einem Coachingprogramm auch in die Kompetenz der Akteure investiert wird.
Auch Fortbildung gehört zum Programm
Neben der Beratung zu Projektentwicklung und Förderanträgen bietet die Kulturberatung auch Fortbildungen an. Etwa viermal im Jahr können sich Mitglieder von Vereinen zu verschiedenen Themen weiterbilden. Die Fortbildungen sind für die Vereine sehr wichtig, da sich die Bedingungen in der Vereinsarbeit in den letzten Jahren stark geändert haben. Bedingt durch die umfassende Mobilität, haben Vereine verstärkt mit Fluktuation zu kämpfen. Ständig müssen neue Mitglieder und Vorstände eingeführt und geschult werden. Außerdem wird von den Vereinen eine höhere Professionalität gefordert. Egal ob es sich um die Einhaltung der neuen Datenschutzverordnung, die Kommunikation mit dem Finanzamt oder die Bewerbung von veranstaltungen auf Social-Media-Kanälen handelt, Mitglieder und Vorstände müssen kompetent und zeitgemäß agieren. In diesem Jahr kommen die Vereine u. a. in den Genuss einer Fortbildung zum Datenschutz, zum Steuerrecht, zur Lobbyarbeit und zur Körpersprache. Darüber hinaus findet einmal im Jahr, zumeist im Februar, das so genannte Vereinsforum statt, auf dem sich Mitglieder von Vereinen einen Tag lang fortbilden und in persönlichen Begegnungen neue Kontakte knüpfen können.
In den nächsten Jahren steht vor der Kulturberatung die Aufgabe, die Vereine noch stärker als bisher für die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit zu sensibilisieren, die Planungshorizonte zu erweitern und das Bewusstsein für Netzwerke zu stärken, damit die Stadt Jena ein experimentierfreudiger, begegnungsintensiver, kulturoffener Raum bleibt.
Claudia Dathe