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Ein Interview mit Thomas Sperling - <strong>kulturarena</strong> 2024 (3. Juli - 18. August 2024 Theatervorplatz Jena)

News // 09.08.2022

Foto: ©Tina Peißker

„Im Club hat man eine andere Energie“

Ein Interview mit Thomas Sperling

Es ist Festivalsaison und dementsprechend schwer, an Thomas Sperling heranzukommen. Eben noch auf der „Fusion“, demnächst auf dem „Sonne, Mond und Sterne“. Der Veranstalter mit der markanten Glatze ist vieles: Techno-Guru, gelernter Zimmerer, Mitinitiator des Plattenlabels „Freude am Tanzen“. Und natürlich Head of Kassa. Zwischen den bunten Waggons auf dem Hinterhof treffen wir uns zum Sommerplausch.

Erstmal: Herzlichen Dank für die gelungene Spendenaktion für die Ukraine! Nach der kollektiven Ungläubigkeit konnten viele auf das Kassa und die Hilfsbereitschaft der Leute schauen, das war ein echter Lichtblick!

Sperling: Der Dank geht an Toni, unser ehemaliger Auszubildender, der noch bis September angestellt ist. Er hat selbst ukrainische Wurzeln und da die Initiative ergriffen. Es gingen viele nützliche Sachen an die Front wie Sanitätsmaterial, Schlafsäcke, Helme und diverse Schutzausrüstung. Viele andere Spenden, die an der Grenze erstmal nicht gebraucht wurden, wurden über den Umsonstladen MOBB e.V. und über die Bürgerstiftung an Geflüchtete verteilt.

Im Clubprogramm habt ihr mit der Einladung von „Closer Club Kyiv“ ein Signal gesetzt. Wie war die Stimmung?

Sperling: Ein Teil der Crew von Closer Club war zur Zeit des Überfalls zum Glück nicht in der Ukraine, sondern im Urlaub. Sie sind derzeit im Berliner Exil. Es waren knapp 200 Leute da, musikalisch ein sehr spannender Abend mit einigen ukrainischen Gästen. Viel ist erstaunlicherweise schon wieder in Vergessenheit geraten. Derzeit sorgen sich die Leute eher um ihre kalte Wohnung im Winter. Unsere Spendenbereitschaft hat gezeigt, wie gut es uns derzeit geht. In der Ukraine sterben nicht nur die Soldaten, sondern auch Kinder, Alte und Menschen wie du und ich. Man kann sich aber natürlich auch Gedanken über die Heizung machen …

Im Rahmen der kulturarena macht ihr seit 2004 die Clubnächte. Wie hat das angefangen?

Sperling: Ja, die ersten Abende waren 2004 mit Panteón Rococó und Dani Siciliano. Vor den regelmäßigen Abenden gab es aber auch schon einzelne Projekte, ich erinnere mich da zum Beispiel an einen Abend mit mongolischem Obertongesang. Uns war damals wichtig, auch Veranstaltungen außerhalb unserer Blase zu machen, die ein anderes Publikum ansprechen und ins Kassa holen. Dafür gibt es ja auch die Kooperationen mit dem Theaterhaus oder der Philharmonie.

ArenaClub Konzert im Kassablanca mit einmaliger Atmosphäre | Foto: Christoph Worsch

Alle wollen etwas was von eurer Coolness abhaben.

Sperling: Das würde ich so nicht sagen, wir sind selbst immer sehr neugierig auf andere Formate. Wir wollen das Haus immer für Neues öffnen. Und wir begegnen da den anderen Akteuren:innen auf Augenhöhe. Es heißt nie: Wir sind die Coolen von da oben, auch wenn die Aussicht vom Turm wirklich gut ist. Unser Auftrag ist auch, die Nischen miteinander zu verbinden.

Sind besondere Abende in Erinnerung geblieben?

Sperling: Da gibt es so viel, dass es schwerfällt, einen bestimmten Abend heraus zu stellen. Die Hörspielnacht von Deutschlandfunk-Kultur mit den Wurfsendungen war grandios. Richtig gut. Oder im ersten Jahr das Konzert von Dani Siciliano, die nochmal auf die Bühne musste, obwohl sie keinen Song mehr hatte. Dann hat sie einfach einen Song aus ihrem Set ein zweites Mal gespielt.

Bist du gern zu Gast in der Arena?

Sperling: Klar, wenn es sich anbietet. Dieses Jahr werde ich auf jeden Fall zu Danger Dan gehen. Und Helge Schneider vielleicht.

In diesem Jahr werden 30 Jahre gefeiert, du bist jemand, der für legendäre Parties bekannt ist. Wenn man dich für die große Aftershow engagieren würde, was dürfte nicht fehlen?

Im Lauf der Jahre haben wir viel umgesetzt. Feindrehstar etwa oder einen Abend mit „Freude am Tanzen“. Ich komme aus dem Club, da herrscht eine andere Lautstärke, eine andere Energie als Open Air. Der Bass wird viel stärker gefühlt.

Wir bräuchten also eine riesige Kuppel über der Arena für deinen Partyabend?

Sperling: (lacht) Sowas in der Art. Wenn die Akustik stimmt, machen wir das. Es ist spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Acts in den verschiedenen Settings wirken, es gibt da ja einige Künstler:innen, die im Lauf der Zeit sowohl bei uns als auch in Arena waren. The Notwist, Meute, Danger Dan - damals mit der Antilopengang, Sportfreunde Stiller, Jan Delay noch als DJ, Annenmaykantereit, Von wegen Lisbeth, die Liste ist lang!

Foto: ©Tina Peißker
Lässig & fokussiert zugleich: Thomas Sperling vor dem Kassablanca | Foto: ©Tina Peißker

Die Arena hat jetzt direkt nebenan den Bibliotheksbau, ihr bekommt das neue Zeiss-Werk vor die Tür. Wie betrachtest du die Veränderungen in der Stadt?

Sperling: Die Bauten machen mir keine Sorgen. Eher der Krieg. Und die Auswirkungen der Pandemie. Die Anfangseuphorie ist vorbei, bei der ersten Schönen Freiheit nach langer Pause hatten wir mit einem Mal 1500 Menschen vor dem Laden, die rein wollten. Mit einem gewissen Delay trifft uns aber jetzt das neue Ausgehverhalten. Eine ganze Generation hat das nicht gelernt. Früher kam in unseren Fluss mit jeder Generation ein kleiner neuer Bach reingeflossen, die Übergänge haben wir kaum bemerkt. Jetzt kommt an manchen Abenden ein Tsunami, an manchen fast niemand. Da braucht es einen langen Atem. Haben wir im Herbst Energie zum Heizen? Kommt ein neuer Lockdown? Diese Sorgen haben gerade alle in der Branche.

Die Arena wird 30, hast du Glückwünsche ans Team?

Klar. Weitermachen und die Menschen glücklich machen. Für Jena an diesem Ort ist das sowas Einmaliges. Käme heute jemand auf diese Idee, das könnte man nicht mehr realisieren. Die Bedürfnisse der Anwohner:innen würden überwiegen. Also gilt: mutig sein, Freiräume für die Kultur erkämpfen, überlegen, was eine Stadt lebenswert macht. Da kann man Menschen wie Norbert Reif sehr dankbar sein, dass er sich gegen die anfängliche Skepsis durchgesetzt hat. Und natürlich dem ganzen Team von heute. Wir werben in Jena mit unserer Jugendlichkeit, wir sollten sie auch leben! Jung waren wir alle mal, das vergessen nur die meisten irgendwann.

Vielen Dank für das schöne Gespräch!

Hinter diesem spannenden Interview steckt Friedrich Hermann:

30 Jahre kulturarena – was für ein schöner Anlass, um all die Menschen kennenzulernen, die diesem herausragenden Festival über die Jahre ihren Stempel aufgedrückt haben! Als Stadtschreiber mache ich genau das – zusammen mit Florian Ernst. Lasst gern Feedback da, hier in den Kommentaren, auf meiner Facebookseite oder bei Instagram. Ich freu mich sehr auf eure Nachrichten!

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