Gastbeiträge in unserem Blog sind immer willkommen, da sie interessante Zugänge und neue Perspektiven zu unseren Kulturthemen erlauben. So freuen wir uns, dass wir Elke Zimmermann, Teamleiterin Denkmalschutz der Unteren Denkmalschutzbehörde (UDschB), gewinnen konnten, einen Beitrag zur Sanierung des Volkshauses Jena zu schreiben, jenem kulturellen Kleinod bis heute, das wir dem Engagement von Ernst Abbe und der Carl-Zeiss-Stiftung verdanken. Wir finden es spannend, welche Aspekte bei einer fachgerechten Sanierung berücksichtigt werden müssen und wie kompliziert mitunter die Abwägungen zwischen Denkmalschutz und Nutzerinteressen sind, wieviel Fingerspitzengefühl es dafür braucht. Lesen Sie selbst!
Auf ihrer Jahrestagung 2021 befasste sich die AG Kommunale Denkmalpflege des Deutschen Städtetages mit Chancen und Grenzen der kulturellen Nutzung von Kulturdenkmalen. Diskutiert wurde, inwieweit eine Nutzungszuführung oder Umnutzung für kulturelle Zwecke dem geschützten Objekt die Chance auf „Überleben“ bietet. Debattiert wurde aber auch, welche Grenzen seitens der Objekte gesetzt sind bzw. seitens der Denkmalpflege gesetzt werden müssen, um trotz kultureller Nutzungszuführung oder Umnutzung das Kulturdenkmal als solches zu erhalten.
Eine Baudenkmal, das um- bzw. weitergenutzt werden will, stellt aufgrund des Schutzstatus besondere Anforderungen an die Kultur-Akteur:innen. Gleichzeitig haben die Akteur:innen aus Kultur und Kunst spezielle Anforderungen an ein Objekt. Beides bestmöglich auszutarieren, bedarf viel Ausdauer, Bereitschaft zum Umdenken und zu unkonventionellen Gedankengängen, manchmal etwas Mut, vor allem aber Vertrauen unter allen Beteiligten.
Dieser Beitrag möchte am Beispiel des Volkshauses Jena in stark verkürzter Form diesen Prozess aus Sicht der Unteren Denkmalschutzbehörde Jena darstellen – wohl wissend, dass sich 7 Jahre und viele Ordner nur schwer derart komprimieren lassen.
Den Anfang bildet ein Fließtext – das Ende ein Auszug der Präsentation auf der oben erwähnten Tagung. Es wäre nicht hilfreich, diese komprimierte Zusammenstellung denkmalpflegerischer Belange wieder in Textform umzuwandeln. Aber lesen und sehen Sie selbst.
Wozu hier noch nichts gesagt wird, ist die Freianlagengestaltung. Der seinerzeit von Kuithan entworfene und auf Volkshaus und Carl-Zeiß-Platz abgestimmte kunstvolle Vorplatz ist aber ebenfalls Bestandteil des geschützten Kulturdenkmals und soll zumindest ansatzweise wieder hergestellt werden.
Das Kulturdenkmal
Das Volkshaus Jena wurde bereits auf der Denkmalliste der DDR geführt. Nach Überprüfung durch das dafür zuständige Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) wurde es aus geschichtlichen, baukünstlerischen und städtebaulichen Gründen in das Denkmalbuch des Freistaates Thüringen übernommen.
Der Gebäudekomplex am Carl-Zeiss-Platz ist eines der großartigsten baulichen Zeugnisse des sozialen und kulturellen Engagements der Carl-Zeiss-Stiftung. Mit der Überführung der Firma Zeiss in die Carl-Zeiss-Stiftung 1889/91 durch den früheren Teilhaber und Zeiß-Nachfolger Ernst Abbe und dem Statut von 1896 war festgelegt worden, dass der Gewinn des Unternehmens dem öffentlichen Interesse und Gemeinwohl dienen sollte. In den Jahren 1901-1903 entstand daraufhin an der Südseite des Zeiss-Platzes das von Abbe und Siegfried Czapski schon länger angestrebte für alle offene Haus der Bildung, Kultur, Künste und politischen Debatte[1]. Bereits 1886 hatte sich in Jena ein Lesehallenverein gegründet, dem u.a. Abbe, Czapski, Eduard Rosenthal und Arthur Heidenhain angehörten und der sich zunächst im Löbdergraben 15 einmietete. Ab den 1890er Jahre begann die Stiftung die inhaltliche Konzeptionierung und Planung eines Volkshauses – dabei federführend Ernst Abbe und Siegfried Czapski. 1896 bestätigte das Cultus-Departement des Großherzoglichen Staatsministeriums, dem die Verwaltung und Außenvertretung der Stiftung oblag, die Mittelfreigabe für Planung und Bau einer Lesehalle. Aufgrund eines Widerspruchs des Jenaer Oberbürgermeisters Singer verzögerte sich die endgültige Entscheidung für den Bau eines Volkshauses mit Lesehalle bis 1899.
Mit den Planungen wurde Arwed Roßbach[2] aus Leipzig beauftragt. Bereits im Juni 1900 stellte Roßbach erste Entwürfe dem Gemeindevorstand vor. Geplant war die Errichtung einer Gebäudegruppe in 2 Bauabschnitten (BA) auf dem Siebertschen Anwesen am Carl-Zeiß-Platz. Der 1. BA (=Bauabschnitt, Anm. d. Red.) beinhaltete das Lehrgebäude – also Lesehalle/Bibliothek, Schaeffer-Museum, Gewerbeschule. Der 2. BA umfasste Saalgebäude und Zwischenbau, d.h. kleinen Saal, Vortragssaal, großen Versammlungssaal und die Wandelhallen. Im Juli 1900 stimmten die Gemeindegremien diesem Entwurf, der vor der Ostfassade der Lesehalle noch eine eingeschossige polygonale Vortragshalle vorsah, zu. Daraufhin konnten die Vorarbeiten, zu denen in erster Linie die Kanalisierung der Leutra sowie die Aufschüttung und Einebnung des Geländes zählten, durchgeführt werden. Am 19.12.1900 wurde der leicht geänderte Bauantrag eingereicht. Dieser wurde trotz fehlender Statik bereits am 31.12.1900 von Stadtbaumeister Cosack beschieden. 1901 begann der Bau des Lesehallen-, Bibliotheks- und Lehrgebäudes. Die Projektorganisation oblag Czapski, die Leitung vor Ort zunächst Roßbach, nach dessen Tod Richard Lucht, Bauführer der Firma Carl Zeiss war Carl Müller, die Maurer- & Zimmerarbeiten oblagen C. Rausche jun. Mit der Meldung über die Rohbaufertigstellung des östlichen Teils ging am 08.03.1902 der nochmals überarbeitete Bauantrag für Zwischenbau und Saalgebäude ein. Am 20. September 1902 konnte die Lesehalle an den Lesehallenverein übergeben werden. Das Lese- und Lehrgebäude zeigte sich wie folgt:
- Erdgeschoss: große Diele mit Garderobe und Treppe zu OG, Zeitschriftenlesesaal, Jugendzimmer, Raucherzimmer, Schaeffer-Museum
- Obergeschoss: Ausleihschalter, großer Lesesaal, Lesezimmer, Büchermagazin, Verwaltungsräume
- Obergeschoss: Lehrräume, Konferenzzimmer, Lehrsaal
- Dachgeschoss: Wohnung, Trockenboden
Bereits ein Jahr später am 1. November 1903 wurde auch das Saalgebäude nebst Zwischenbau feierlich eröffnet. Das Saalgebäude zeigten im:
- Erdgeschoss: Große Wandelhalle mit Garderobe, Kleine Wandelhalle
- Obergeschoss/Galeriegeschoss: Großer Saal, Oberlichtsaal
…der Zwischenbau im:
- Erdgeschoss: Schaeffer-Vortragssaal
- Obergeschoss: Kleiner Saal
Charakteristika und weitere Baugeschichte(n)
Rühmten die lokalen Zeitungen schon die Lesehalle über alle Maßen, kannte die Begeisterung über die Architektur, aber auch die funktional und ästhetisch hochwertige Innengestaltung des Saalgebäudes nahezu keine Grenzen.[3]
In zeit- und auch für Roßbach typischer historistischer Formensprache war ein den Zeiss-Platz im Süden abschließendes monumentales Gebäudeensemble entstanden, das mit dem seinerzeit noch neogotischen Verwaltungsgebäude der Firma Zeiss gegenüber wunderbar korrespondierte. Der asymmetrisch gegliederte Bau setzt sich aus dem T-förmigen Turmbau mit hohem Erd- und je zwei Ober- und Dachgeschossen (Lese-/Lehrgebäude), dem Saalbau mit großem Altan sowie dem zweigeschossigen Zwischenbau zusammen. In seiner Formensprache lehnt er sich stark an die Schlossarchitektur der Spätgotik und Frührenaissance im sächsisch-thüringischen Raum an. Putzfassaden sind durch Werksteine aus Sandstein (Öffnungsrahmen/ Gewände, Zwischengesimse, Eckelemente sowie Brüstungen) und Kalkstein (Sockel in massiver Bossierung) strukturiert. Turm, Eckerker und Dach-Zwischengeschoss wurden in Sicht-Fachwerk ausgeführt.
Den 1. Bauabschnitt (BA) prägen große getreppte Schildgiebel, gekuppelte Rechteckfenster mit anlaufendem Gewände sowie Fenster mit Vorhangbögen in der Fachwerkzone. Die Giebel im 2. BA haben einen halbrunden Abschluss, der Giebel am ehemaligen Haupteingang wurde in Renaissancemanier gestaltet. Die Altanbrüstung ziert (neo-)gotisches Maßwerk, die Fensterbrüstungen und Erker Blendmaßwerk. Die Eingangshallen folgen dieser Gestaltungsidee. Das Kleine Foyer des Saalgebäudes (Max-Reger-Halle), die kleinen ursprünglich von Kuithan gestalteten Säle und v.a. Treppenhaus und Großer Saal (heute Ernst-Abbe-Saal) spiegeln jedoch die Formvorstellungen des Jugendstils wider.
In der Tagespresse, aber auch in Fachzeitschriften fand insbesondere die höchst funktionale Ausstattung große Anerkennung. Dazu muss kurz ein Blick auf die Deckenkonstruktion geworfen werden. Die meisten Räume werden von Kleineschen Decken überspannt, den großen Saal jedoch überspannt eine Rabitz-Decke. Die Konstruktion besteht aus kreuzweise angeordneten Rundeisen, die an den Kreuzpunkten miteinander verbunden wurden. Über dieser Konstruktion spannt ein mit Kalkmörtel angedrücktes und verputztes Metallgewebe. Bei gewölbten Decken wird diese Konstruktion über sogenannte Abhänger vertikal mit der darüber befindlichen Tragkonstruktion verbunden, wodurch entsprechende Zwischenräume entstehen. Dies wiederum ermöglichte die Installation eines äußerst funktionsfähigen Lüftungssystems[4]. Das gute Klima im Saal wurde seinerzeit gelobt. Die Energie – u.a. für die ebenfalls bewunderte elektrische Beleuchtung – lieferte das Elektrizitätswerk im Zeiss-Hauptwerk[5], die Beheizung erfolgte über eine Zentralheizung, deren 4 Heizungskessel im Kellergeschoss des Lehrgebäudes untergebracht waren.
1906 wurde im Großen Saal die Reger-Orgel[6] eingebaut, deren Gitter nach Entwürfen von E. Kuithan angefertigt wurden.
In Vorbereitung der 700-Jahrfeier Jenas wurde am 01.11.1934 das erste eigene städtische Sinfonieorchester gegründet. Am 21.09.1969 erhielt es den Status „Philharmonie“. Das Volkshaus Jena wurde und ist bis heute Konzert- und Heimstätte der Jenaer Philharmonie.
In den Jahren 1935-1937 erfuhren die Bibliotheks- und Lesehallen-Räume eine grundlegende Umgestaltung. Nach Plänen des Büros Schreiter & Schlag wurde u.a. im OG ein zweietagiges Magazin ein- und der Schalter rückgebaut, letzterer wurde durch ein Thekensystem ersetzt. Die Leseräume erfuhren einen Neuzuschnitt. Ein Großteil dieser Umbauten bestand bis vor Kurzem.
Im März 1945 zerstörte ein Bombentreffer Dach-, 2. und teilweise 1. Obergeschoss des Ostflügels der Lesehalle. Während der von 1945-49 dauernden Generalreparatur wurden die Deckenkonstruktion in den zerstörten Bibliotheksbereichen und das Dach sowie die Elektrik erneuert. Die Säle wurden nur einfach saniert. Erst 1958 restaurierte man im Großen Saal die Goldverzierung, erneuerte die Bestuhlung und sanierte die Orgel. Die Reger-Orgel erklang bis 1967. 1981 wurde sie zurückgebaut, nachdem bereits 1978 der Auftrag für einen Orgel-Neubau erteilt wurde. Die neue Orgel baute die Firma Sauer 1986-87 in den Großen Saal ein[7]. Bereits in den 1970er Jahren war die Hörsaalkonstruktion aus dem Schaeffer-Saal ausgebaut und dieser in einen ebenerdigen Multifunktionssaal umgewandelt worden. 1976 richtete man in den Kellerräumen des Saalgebäudes einen Jugendklub, den Klubkeller „Modul“ ein.
Die grundhafte Sanierung der Jahre 1981/82 umfasste den Gebäudekomplex innen und außen. So wurden Beleuchtung, Elektrik, Sanitär, Fußböden erneuert. Ausgenommen davon waren der Große Saal und der Saal im Obergeschoss der Lesehalle. Für diese Bereiche wurden nur organisatorische Schutzmaßnahmen wegen der unzureichenden Statik ergriffen. Die Fassade wurde leider entgegen den Ratschlägen der damaligen „Fachbehörde“ – der Außenstelle Erfurt des Instituts für Denkmalpflege – behandelt. Aufgrund der enormen Luftverschmutzung und Vergipsung waren die bauzeitlichen bzw. 1946 ergänzten Oberputze stark verschwärzt. Um sie zu „schönen“, wurden sie mit einem weißem Kalkanstrich und schließlich Kunstharzdispersion überstrichen. Ebenso schlimm traf es die Natursteinelemente (mit Ausnahme des Sockels). Sie erhielten allesamt einen dunkelgrauen Kunstharzanstrich. Diese neue Farbgebung, die für Putz und Steine wegen ihrer fehlenden Diffusionsoffenheit wenig erträglich war, bestimmte das Erscheinungsbild des Volkshauses die nächsten fast 40 Jahre.
Von 1992-2003 erfuhr das Volkshaus erneut eine umfassende Sanierung. Im gesamten Gebäudekomplex wurden die Sanitäreinrichtung, die Heizungsanlage einschließlich Heizkörper erneuert. Die Bibliotheksräume wurden modernisert und auch die Säle saniert. Dabei wurde auch die Be- und Entlüftungsanlage, die Bühnen-, Licht- und Tontechnik erneuert.
Die fehlerhafte Fassadensanierung korrigierte man aus unerklärlichen Gründen nicht. Auch erfolgte keine statische Ertüchtigung der Saaldecken.
Umbaupläne
Im Dezember 2015 stellte JenaKultur als Mieter des Volkshauses der UDSchB (Untere Denkmalschutzbehörde) und der Stadtsanierung erstmals die Pläne zum Umbau des Volkshauses zu einer „Konzert-, Gala- und Tagungsstätte“ („zukunftsorientierte Sanierung“) einschließlich des Neubaus einer Bibliothek andernorts vor.
Details am Volkshaus Jena vor der Sanierung ©Stadt Jena, E. Zimmermann
Diesen Plänen lagen ein umfänglicher Raum- und Modernisierungsbedarf der Bibliothek zugrunde, jahrelange Beschwerden der Philharmonie über Bühne, Technik, Klimatisierung und Probensituation sowie Ergebnisse einer Studie zum Bedarf an Kongressräumen, die gleichzeitig für die als Eigenbetrieb aufgestellten JenaKultur neue Einnahmeperspektiven eröffnete. Im Saalgebäude sollten Struktur und Nutzung weitestgehend erhalten werden, allerdings war die Neuerrichtung des Sanitärbereichs im Kellergeschoss (KG) und die Verlegung der Garderoben in selbiges geplant. Dies erforderte einen Umbau der Erschließung des KG. Zudem plante man im Erdgeschoss/Treppenhaus die Errichtung barrierefreier Toiletten und Garderobenbereiche. Die technische Infrastruktur (Ton- u. Datentechnik, Bühnentechnik, Elektrik, Lüftung, Wasser/Abwasser) und der Brandschutz sollten wie Bühne und Parkett ebenfalls komplett erneuert werden.
Für das Lehrgebäude stand ebenfalls eine komplette Erneuerung der technischen Infrastruktur an. Hier sollten jedoch zur Schaffung flexibler Tagungsräume auch die Raumstrukturen im Erd- und den Obergeschoss (OG) aufgelöst sowie das Treppenhaus ins 2. OG erweitert werden.
Da hatte Jena nun „…ein für alle offenes Haus der Bildung, Kultur, Künste und politischen Debatte“ …und es genügte doch nicht?
Umbaumaßnahmen – Chance für Komplettsanierung des Hauses
Nach anfänglichem Schock über den Umfang, einem bis heute nicht ganz beigelegten Unverständnis darüber, dass der so bedeutsame historische Bibliotheksstandort als solcher wirklich komplett aufgegeben wird, stellte sich als erstes seitens der Denkmalpflege die Frage, wie stark der Denkmalwert des Kulturdenkmals durch die Aufgabe zentraler bauzeitlicher Nutzungen (historische Gründe der Unterschutzstellung) beeinträchtigt würde. Welche Auswirkungen hat dies ggf. auf andere Kulturdenkmale im „Abbe-Kosmos“ Carl-Zeiß-Platz?
Der reinen Nutzungsänderung war seitens der Fachbehörde, dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA), und somit auch der UDSchB zuzustimmen.
Blieben die denkmalpflegerischen Bedenken bezüglich der mit einer Nutzungsänderung einhergehenden Umbaumaßnahmen und den dabei zu erwartenden Substanzverlusten.
Diese konnten nach mehrfachen Umplanungen minimiert werden. Zudem sah die UDSchB in den geplanten Maßnahmen verstärkt auch die Chance, dem Objekt die notwendige denkmalgerechte Sanierung wichtiger Bauteile wie Fassade, Dach, und Fachwerk zukommen zu lassen.
In intensivsten Gesprächen wurde ein Fahrplan für Sanierung und Umbau erstellt, der trotz aller notwendiger Umbauten das Ziel hat, so viel geschützte Substanz und so viel darin schlummernde Informationen wie möglich zu bewahren.
Basis all dessen waren eine genau Bestandserfassung einschließlich Schadkartierungen sowie umfassende restauratorische Untersuchungen. Hier zeigte sich, wie enorm wichtig, die vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit mit den beiden Projektleitern der Ernst-Abbe-Stiftung (EAS), Herrn Hauschopp und Herrn Schmidt, war, denn Ergebnisse dieser Untersuchungen konnten ganze Planungsideen ändern. Es ist aber wichtig zu betonen, dass die frühzeitige Durchführung derartiger Untersuchungen auch vor Fehlplanungen und bösen Überraschungen bewahrt.
Was haben wir konkret gemacht?
- Putz: Befundsondage und Kartierung durch Dipl. Rest. Bruckschlegel am gesamten Objekt; Putzmörtelanalyse durch das Institut für Steinkonservierung (IfS) Mainz → Der noch bauzeitliche Putz musste leider bis auf einen Teilbereich abgenommen werden. Sämtliche Putzflächen waren durch die oben erwähnte Fehlsanierung quasi versiegelt worden. Dadurch konnte die über Risse im Oberputz bzw. in den vielen Anschlussbereichen zu den Natursteinelementen eindringende Feuchtigkeit nicht mehr austreten. Dies verstärkte die Schädigungen im Unterputz. Der Oberputz lag infolgedessen an zahlreichen Stellen hohl. Aufgrund der großflächigen sehr starken Schädigung des Unterputzes sowie der verstreuten Oberputzschadbilder war eine komplette Putzerneuerung die einzige nachhaltige Sanierungsoption. Dieser wurde gemäß Putzanalyse als sandig eingefärbter Putz aufgetragen. Eine geschlossene Referenzfläche wurde nur im Durchgang erhalten.
- Fachwerk einschließlich Uhr: Auch hier wurde eine restauratorische Befundung beauftragt. Dank dieser konnte die bauzeitliche Farbigkeit dieser Elemente zurückgewonnen werden. Mit den ebenfalls wieder im ursprünglichen Grünton gefassten Holzfenstern bekommt das Objekt einen ganz neuen Ausdruck. Gleichzeitig wird die „Verwandschaft“ zu den Kochschen Villen viel deutlicher ablesbar.
- Natursteinelemente: Die Sand- und Kalksteine mussten in erster Linie behutsam gereinigt werden. Ziel war, so umfassend wie möglich v.a. die schädlichen Kunstharz-Farbschichten zu entfernen. Dies war nicht komplett möglich, da sonst Steinsubstanz verloren gegangen wäre. Im Anschluss blieben die Fugen – wo möglich – bis heute offen, da sehr sehr viel Feuchtigkeit aus den Steinen austrat. Wo nötig, wurden auch steinmetzmäßige Ergänzungen vorgenommen, teilweise mussten auch Kopien angefertigt werden.
- Dachstuhl/Dach: Die relativ gut erhaltene Dachkonstruktion, die in Einzelbereichen bereits Erneuerungen erfahren hatte, wurde saniert, Dachaufbauten wurden denkmalgerecht zimmermannsmäßig restauriert. Das bedeutete, dass jedes Holzteil nur so weit bearbeitet (geschnitten) oder ausgetauscht wurde, wie es der tatsächliche Schädigungsgrad erforderte. Das dauerte vielleicht etwas länger, aber es erhält Substanz und spart Ressourcen. Für die UDSchB und die Projektleitung bedeutete es viele Gerüst- und Dachaufstiege. Zudem erhielten die Aufbauten die befundete Farbgebung. Das Dach selbst wurde komplett neu gedeckt. Da die inländischen Schieferbrüche zu einem Großteil geschlossen bzw. deren Produkte in Masse nicht mehr bezahlbar sind, wurde auf einen Naturschiefer aus Spanien zurückgegriffen, der sehr ähnlich in Farbe, Struktur und Festigkeit ist. Das neue Schieferdach ist ist eine Augenweide. Die Flaschnerarbeiten wurden ebenfalls ertüchtigt – wo möglich als Rohr im Rohr.
- Oberflächen Innenräume: Auch in den Innenräumen wurden dort, wo zu den Fassungen Unklarheit herrschte oder unvollständige Dokumentationen vorlagen, Nachbefundungen durchgeführt. Wunder bzgl. der Kuithan-Ausmalungen gab es leider nicht, aber so manch andere Erhellung. Auch Flächen, die aufgrund der Umbaumaßnahmen verloren gehen, wurden vor Eingriffen sondiert, und manchmal mussten auch Flächen nach dem Rückbau späterer Einbauten nochmal restauratorisch bewertet werden, da sich plötzlich neue Befundlagen zeigten. Befunde wurden in jedem Fall gesichert. Wo es die neue Raumstruktur erlaubt, werden diese auch gezeigt. Wo keine Fassungen mehr nachweisbar waren, wurde auch nichts nachgezeichnet.
- Fenster/Türen: So weit es möglich war, wurden die Bestandsfenster aufgearbeitet und energetisch ertüchtigt. Im Erker des Lehrgebäudes mussten leider nach mehrfachen Variantenprüfungen die Bestandsfenster nach Bestandsvorbild erneuert werden. Eine energetische und v.a. die notwendige schallschutztechnische Ertüchtigung war im Bestand – ohne den Erkerinnenraum für die Nutzung zu verlieren – nicht möglich. Diese Entscheidung war schmerzhaft.
Details am Volkshaus Jena nach der Sanierung ©Stadt Jena, E. Zimmermann
Die eigentlichen Anpassungen des Objektes an die neuen Nutzungsanforderungen werden in der folgenden PDF gezeigt.
Volkshaus_Zusammenfassung_Sanierung
Liebe Elke Zimmermann, wir danken herzlich für den Beitrag!
Haben Sie bereits einmal das neue, alte Volkshaus besucht? Wie finden Sie die Lösungen, die gefunden wurden? Wann betrachten Sie eine denkmalgerechte Sanierung für geglückt? Welchen Platz sollten darin die Nutzerinteressen finden??
Wir freuen uns über Ihre Meinungen!
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[1]Vgl. Rede Czapskis zur Eröffnung des Saalegbäudes am 01.11.1903, abgedruckt im Jenaischen Volksblatt Nr. 258 vom 3. November 1903.
[2]Arwed Roßbach (1844-1902) schuf Villen, aber auch öffentliche Großbauten in historistischer Formensprache. Hervorzuheben sind u.a. die Universitätsbibliothek, das Augusteum, die Neue Frauenklinik oder das Geschäftshaus Klinger in Leipzig. In Jena baute er für die Bankiersfamilie Koch die Villen im Forstweg 33 und der Kochstr. 5.
[3]Vgl. hierzu u.a. Jenaisches Volksblatt Nr. 258, Dienstag, 3. November 1903
[4]erwärmte und befeuchtete Luft strömt über gemauerte Kanäle zu 30 Seitensträngen → über diese in die Räume, z.B. in den Großen Saal: Einblasen Zuluft über Stahlgitterband unter dem Rang u. Stahlgitter im Bühnenbereich → verbrauchte Luft über Gitter in Decke in den Dachraum → von dort raus (Regulierung über seilzugbetätigte Klappen)
[5]Bis 1945 Gleichstrom.
[6]dreimanualig, 48 Klangreihen, 2.686 Pfeifen, Voit & Söhne (Karlsruhe/Durlach),
[7]61 Register, 3 Manuale, 4.800 Pfeifen; eigene Klimatisierung