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Informelle Bürgerbeteiligung

Informelle Bürgerbeteiligung (auch "freiwillige" Bürgerbeteiligung genannt) ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern es wird frei entschieden, wann und wie die Bürgerbeteiligung durchgeführt werden soll. Bei informeller Bürgerbeteiligung werden Bürgerinnen und Bürger von der Verwaltung eingeladen, sich zu beteiligen, z. B. wenn es um die Entwicklung der Innenstadt geht oder die Mobilitätsangebote in der Stadt verbessert werden sollen. Oft findet informelle Bürgerbeteiligung frühzeitig im Planungsprozess statt, wenn noch Spielraum für Ideen und verschiedene Planungsvarianten bestehen, die gemeinsam erörtert und abgewogen werden. Das können Veranstaltungen, Online-Dialog-Angebote, ein Diskussionsstand in einer Passage oder Workshops an Schulen sein. Häufig gibt es einen Moderator oder eine Moderatorin und es werden kreative Methoden verwendet, um produktive Diskussionen zu fördern.

Anwendungsbereiche der informellen Beteiligung

Informelle Bürgerbeteiligung ist in Jena grundsätzlich für alle Aufgabenbereiche des eigenen Wirkungskreises möglich, die in der Zuständigkeit des Stadtrates und des Oberbürgermeisters liegen. Es können also vielfältige Themen in den Bereichen Kultur, Soziales, Sport, Wohnen, Verkehrsplanung, Stadtplanung und anderen zum Inhalt von Bürgerbeteiligung werden.

Bürgerbeteiligung ist nicht möglich, wenn das öffentliche Wohl oder der Schutz von Minderheiten eine Nichtöffentlichkeit erfordert oder wenn (z. B. aufgrund gesetzlicher Rahmenbedingungen) bei einem Vorhaben kein Gestaltungs- und Handlungsspielraum besteht. Aus diesem Grund ist ein Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid nur bei Aufgaben des eigenen Wirkungskreises möglich.

Konkrete Regelungen zum Anwendungsbereich der informellen Bürgerbeteiligung enthält die Bürgerbeteiligungssatzung (BBS).

Wichtige Elemente der informellen Bürgerbeteiligung finden Sie nachfolgend erklärt.

Die Leitlinien wurden von Verwaltung, Politik und Bürgerinnen und Bürger partnerschaftlich entwickelt, um die bisherigen Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung in Jena zu bündeln. Damit wird ein Fundament für eine lebendige Beteiligungskultur geschaffen, die sich letztlich in mehr (Lust auf) Bürgerbeteiligung ausdrücken soll. Es wurde ein gemeinsames Verständnis erarbeitet, wodurch sich gute Bürgerbeteiligung auszeichnet, was mit Bürgerbeteiligung erreicht werden kann und wie darüber entschieden wird, wann Bürgerbeteiligung durchgeführt wird. Daraus wurden neun Grundsätze (siehe downloads) formuliert, die zum einen der Qualitätssicherung dienen und zum anderen gleichzeitig die Grundlage für die Evaluation von Bürgerbeteiligungsprozessen bilden.

Die Leitlinien sollen insbesondere dazu beitragen, dass junge Menschen sich aktiv beteiligen, auch wenn sie noch kein Wahlrecht haben oder als Studierende nur vorübergehend in Jena leben. Ihre Perspektiven dürfen nicht fehlen, wenn die Zukunft von Jena gestaltet wird.

Jena ist eine von ca. 40 Städten in Deutschland, die eine Vorreiterrolle übernommen und Leitlinien für Bürgerbeteiligung aufgestellt hat. Bürgerbeteiligung wird nicht nur als Erfordernis, sondern als Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit der Stadt angesehen. Wenn wesentliche Entscheidungen für die Entwicklung von Jena transparent getroffen werden und Bürgerinnen und Bürger ihre Vorstellungen darin wiederfinden, dann wächst auch die Identifikation mit ihrer Stadt.

Die Leitlinien werden 2024 / 2025 evaluiert.

Die folgenden Grundsätze sind Teil unserer Leitlinien und beschreiben, wodurch sich gute Bürgerbeteiligung in Jena auszeichnet. Sie dienen der Qualitätssicherung und sind gleichzeitig eine Grundlage für die Evaluation von Bürgerbeteiligung in Jena (siehe auch unter downloads):

1. Bürgerbeteiligung ist grundsätzlich ergebnisoffen.

Bürgerbeteiligung kann nur gelingen, wenn Ergebnisoffenheit garantiert ist. Zu Beginn einer jeden Bürgerbeteiligung wird darüber informiert, welche Gestaltungsspielräume bestehen und welche Entscheidungen bereits im Vorfeld getroffen wurden. Der Beteiligungsgegenstand ist eindeutig zu benennen sowie auch das Beteiligungsversprechen, also die Zusicherung, in welcher Weise die Sichtweisen der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden.

2. Bürgerbeteiligung, deren Ergebnisse und die nachfolgenden Entscheidungen werden transparent und nachvollziehbar gestaltet.

Transparenz ist ein entscheidendes Kriterium für gute Bürgerbeteiligung. Die einzelnen Beteiligungsschritte werden von Beginn an öffentlich und nachvollziehbar dargestellt. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Ergebnissen zeigt sich u. a. in Angaben darüber, wie die Ergebnisse der Beteiligung dokumentiert und ausgewertet werden und wer darüber entscheidet, welche Vorschläge in der nachfolgenden Entscheidung berücksichtigt werden und welche nicht. Transparenz und Nachvollziehbarkeit werden insbesondere dann gestärkt, wenn öffentlich begründet wird, warum Vorschläge nicht berücksichtigt werden.

3. Bürgerbeteiligung ist für alle Bürgerinnen und Bürger frei zugänglich.

Angebote der Bürgerbeteiligung sind für alle frei zugänglich und finden nicht hinter verschlossenen Türen statt. Sie sollen für jede interessierte Person erreichbar sein. Das kann durch eine Kombination verschiedener Angebote und Kommunikationskanäle (Veranstaltungen vor Ort, Online-Angebote etc.) erreicht werden.

Aus methodischen Gründen kann eine exklusive Einladung in Einzelfällen gerechtfertigt sein (z. B. um ergänzend zu offenen Veranstaltungen einen repräsentativen Ausschnitt der Bevölkerung zu erreichen, vgl. Methodenkoffer im Anhang der Leitlinien).

Schließlich ist auf eine barrierefreie Gestaltung der Bürgerbeteiligung zu achten, um Menschen mit Behinderungen die Mitwirkung so leicht wie möglich zu machen.

4. Bürgerbeteiligung soll die Vielfalt der Perspektiven fördern.

Allen Bürgerinnen und Bürgern wird die Möglichkeit zur Mitgestaltung und politischen Teilhabe durch Bürgerbeteiligung gegeben, unabhängig von Geschlecht, sozialer und kultureller Herkunft, Alter, Bildung, Religion, Einkommen und Staatsangehörigkeit. Mit geeigneten Beteiligungsmethoden soll Diskriminierung verhindert werden.
Gegebenenfalls werden bestimmte Bevölkerungsgruppen direkt aufgesucht und angesprochen, um ihre Sichtweisen einzubeziehen (z. B. wenn sie von einer Planung unmittelbar betroffen sind).

5. Bürgerinnen und Bürger können sich, soweit möglich, anonym beteiligen.

Solange es die Beteiligungsmethode zulässt (z. B. bei Online-Dialogen), soll eine anonyme Beteiligung ermöglicht werden, um die freie Meinungsäußerung zu erleichtern. Geeignete Maßnahmen sind zu ergreifen (z. B. Online-Moderation), um einen Missbrauch von Anonymität zu verhindern oder zu erschweren. Nur in begründeten Fällen werden personenbezogene Daten erhoben, wobei deren weitere Verarbeitung und Auswertung nur in anonymisierter Form und im Einverständnis mit den Teilnehmenden stattfinden darf.

6. Auf die Beteiligung von jungen Menschen wird Wert gelegt.

Gemäß des Stadtratsbeschlusses vom 15.05.2014 zur Umsetzung der kommunalen Strategie zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Jena (StR-Nr. 14/2426-BV), wird auf die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in städtische Entscheidungen besonders Wert gelegt. Dabei sollen altersgerecht aufbereitete Informationen und angemessene Methoden verwendet werden, etwa um die Meinungsbildung in einem geschützten Rahmen zu ermöglichen. Gerade weil Kinder und Jugendliche aufgrund ihres Alters noch kein Wahlrecht besitzen und sich insofern nur eingeschränkt in den demokratischen Prozess einbringen können, sind sie bei der Gestaltung von Bürgerbeteiligung besonders zu berücksichtigen.

Das Jugendparlament übernimmt eine Schlüsselrolle und ist Ansprechpartner für Bürgerbeteiligungen, die mit Schülerinnen und Schülern im Bereich der 5. bis 13. Klasse geplant sind. Die studentische Partizipation soll u. a. durch die aktive Einbindung von Vertreterinnen und Vertretern der studentischen Selbstverwaltung sowie des Studierendenbeirates gefördert werden.

7. Bürgerbeteiligung wird rechtzeitig und öffentlich bekannt gemacht.

Nur wer von Bürgerbeteiligungsangeboten erfährt, kann mitmachen. Deshalb ist es wichtig, dass frühzeitig und öffentlich darauf aufmerksam gemacht wird. Texte sollen einfach und allgemein verständlich formuliert werden. Es sollen sowohl digitale (online) als auch Printmaterialien (offline) zur Bekanntmachung genutzt werden. Welche Methoden (z. B. Newsletter, Stadtteilzeitung, Webseite, soziale Medien, Plakate etc.) zur Bekanntmachung genutzt werden, soll im Rahmen eines Beteiligungkonzepts ausgeführt werden.

8. Bürgerbeteiligung wird durch eine neutrale Person moderiert.

Eine offene Dialogkultur, unterschiedliche Meinungen und der gleichberechtigte Austausch sind wichtig für gelingende Bürgerbeteiligung. Ist die Stadt oder die Stadtverwaltung in einem Beteiligungverfahren als Akteur mit eigener Interessenlage vertreten, soll darauf geachtet werden, dass eine neutrale Person als Moderator oder Moderatorin gewählt wird. Dies können beispielsweise externe professionelle Dienstleistende sein oder jemand aus einer anderen Abteilung der Verwaltung, der dafür besonders geschult wurde.

9. Bürgerbeteiligung braucht Ressourcen.

Damit Bürgerbeteiligung gelingt, bedarf es Ergebnisoffenheit, transparenter Entscheidungen, freiem Zugang, Vielfalt von Perspektiven, anonymer Beteiligung, Beteiligung von jungen Menschen, Bekanntmachung und einer neutralen Moderation.

Aber nicht nur das - durch Bürgerbeteiligung entstehen Aufwände, für die finanzielle und personelle Ressourcen benötigt werden. Für gelingende Bürgerbeteiligung ist es deswegen unerlässlich, die benötigten Ressourcen von vornherein einzuplanen und zur Verfügung zu stellen.

Alle städtischen Vorhaben, bei denen ein größeres Interesse der Einwohnerschaft angenommen wird, werden von der Verwaltung möglichst frühzeitig in einer Vorhabenliste dokumentiert, die im Internet öffentlich zugänglich ist. Die Vorhabenliste verdeutlicht nicht nur, bei welchen Vorhaben informelle Bürgerbeteiligung durch die Verwaltung (oder die städtischen Eigenbetriebe) vorgesehen ist, sondern auch, zu welchen Vorhaben informelle Bürgerbeteiligung von Bürgern und Bürgerinnen zusätzlich angeregt werden kann. Schließlich ist in der Liste auch bei jedem Vorhaben vermerkt, ob es eine gesetzlich vorgeschriebene formelle Bürgerbeteiligung gibt.

Die Vorhabenliste wird regelmäßig aktualisiert. Wenn auf der  Vorhabenliste der Verwaltung für ein Vorhaben bereits eine informelle Bürgerbeteiligung vorgesehen ist, erübrigt sich die Anregung von Bürgerbeteiligung für dieses Vorhaben durch Bürgerinnen und Bürger. Für die Anregung von informeller Bürgerbeteiligung ist es unerheblich, ob für die städtischen Vorhaben bereits formelle Beteiligungen vorgeschrieben sind oder nicht. Im ersteren Fall kann informelle Bürgerbeteiligung zusätzlich (meist frühzeitig) zur formellen Bürgerbeteiligung durchgeführt werden. Im letzteren Fall kann informelle Bürgerbeteiligung auch ohne formelle Bürgerbeteiligung stattfinden.