Freitagskonzert № 2 am 10.11.2023
Weltklasse-Geigerin Arabella Steinbacher sprang kurzfristig ein
Spannungsreiche Balance zwischen Chor- und Orchesterklang
Das Jenaer Philharmonische Orchester bewies unter der Leitung von Simon Gaudenz im Konzert am Freitag, 10.11.2023 seine erstaunliche stilistische Wandlungsfähigkeit. Zu Beginn erklangen mit dem von Berit Walther bestens einstudierten, klar und genau artikulierendem Philharmonischen Chor die berühmten Polowetzer Tänze aus Alexander Borodins Oper „Fürst Igor“. Sowohl in den langsam-elegischen, als auch in den schnellen, stark rhythmisch geprägten Teilen wurde der Chor in allen Stimmregistern seiner anspruchsvollen Aufgabe gerecht. Simon Gaudenz gelang es ausgezeichnet, Chor und Orchester in einer spannungsreichen Balance zu halten. Rhythmischer Schwung, dynamische Energie und ein homogener Chor- und Orchesterklang ließen die Polowetzer Tänze zu einem musikalischen Genuss werden.
Umjubeltes Violinkonzert von Brahms mit Arabella Steinbacher
Für die erkrankte Isabelle van Keulen war kurzfristig Arabella Steinbacher eingesprungen. Sie spielte den Solopart im Violinkonzert D-Dur op. 77 von Johannes Brahms. Die Stimme der Solo-Violine verband sich bald mit einzelnen, bald mit allen Orchesterstimmen organisch zu einem fast sinfonischen Klang. Es war faszinierend, wie sich Arabella Steinbacher ganz in den Dienst des Werkes stellte, der komplizierten Themenaufsplitterung im Kopfsatz vollauf gerecht wurde, die Kadenz an dessen Ende mit technischer Meisterschaft und interpretatorischer Brillanz spielte, wie sie das zunächst von der Oboe im Adagio vorgetragene Thema auf der Geige geradezu sang und mit rhythmischer Präzision das heiter-beschwingte Allegro zum mitreißenden Finale führte. Der feine, schlanke Ton ihres Instruments vermischte sich mit einem Orchesterklang, der teils leicht und schwebend, dann wieder in allen Orchesterfarben leuchtend, die Klänge ihrer Violine umspielte oder sich mit ihnen verband. Simon Gaudenz sorgte für einen federnden, elastischen Klang, der dem Brahms-Konzert alle Schwere nahm. Für den begeisterten Applaus bedankte sich Arabella Steinbacher mit dem virtuosen Kopfsatz der 2. Sonate für Violine solo op. 27 von Eugène Ysaÿe.
Joachim Raffs 10. Sinfonie »Zur Herbstzeit« wirkte wie eine ›frühe Filmmusik‹
Passend zur Jahreszeit spielte das Jenaer Philharmonische Orchester unter der einfühlsamen Leitung von Simon Gaudenz Joachim Raffs Sinfonie Nr. 10 f-Moll op. 213 „Zur Herbstzeit“. Durch den Einfluss seines Mentors und Förderers Franz Liszt wurde Joachim Raff angeregt, seiner sinfonischen Musik „Programme“ zu unterlegen. Das gilt auch für seine vier „Jahreszeiten-Sinfonien“. Die 10. Sinfonie ist die zuletzt erschienene der „Jahreszeiten-Sinfonien“. Sie wurde 1879 zu Papier gebracht, allerdings war Raff mit dem 3. Satz nicht zufrieden. In ihrer jetzigen Gestalt, mit einem neuen dritten Satz versehen, wurde sie 1881 in Wiesbaden aus der Taufe gehoben. Zu dieser Zeit genoss Joachim Raff als Direktor des Hochschen Konservatoriums in Frankfurt am Main großes Ansehen. Herbstliche Eindrücke und Empfindungen prägen den Kopfsatz. Der zweite Satz mit seinen huschenden Figuren erinnert an einen „Gespenster-Reigen“. Der dritte melancholisch grundierte Satz („Elegie“) lädt zu innerer Einkehr ein, während der Finalsatz von Jagdmotiven, die vor allem von Hörnern, Trompeten und Posaunen vorgetragen werden, bestimmt wird. Die gesamte Sinfonie wirkt wie eine Vorläuferin späterer Filmmusiken, beeindruckte durch ihre Frische und ihren Reichtum an Klangfarben und weckte den Wunsch, den Sinfoniker Joachim Raff näher kennenzulernen.
Dr. Dietmar Ebert
Das Konzert wurde von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet, am Donnerstag, 23.11.2023, ab 20:03 Uhr im Rahmen der Sendereihe »Konzert« erstausgestrahlt und steht nun in der Mediathek zur Verfügung.