Nachdem das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) lange Jahre bezüglich Ablösungsverträgen davon ausgegangen ist, dass eine solche zwischen der Kommune und Grundstückseigentümern vertraglich geschlossene Ablösevereinbarung unverbindlich wird, sobald sich im Zuge der Beitragserhebung herausstellt, dass der Beitrag, der dem betroffenen Grundstück als Erschließungskostenanteil nach § 127 ff. Baugesetzbuch (BauGB) zuzuordnen wäre, entweder das Doppelte oder mehr als das Doppelte erreicht bzw. die Hälfte oder weniger als die Hälfte des vereinbarten Ablösebetrages, hat es inzwischen seine Rechtsprechung geändert.
Mit Urteil vom 21.01.2015 hat das BVerwG entschieden, dass die bisherigen sog. Missbilligungsgrenzen für Ablösevereinbarungen nicht mehr gelten. Nunmehr ist es so, dass es nach Maßgabe des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB einer Kommune zwar weiter zuzustehe, den mit einem zukünftig beitragspflichtig werdenden Grundstückseigentümer abgeschlossenen Beitragsablösevertrag später im Rahmen der Beitragserhebung zu überprüfen. Wenn sich dabei herausstelle, dass der zu zahlende Beitrag höher bzw. niedriger wäre, könnte für die Kommune nunmehr nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich die Bindungswirkung der Ablösevereinbarung entfallen, so das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung mit Az. 9 C 1.14. Basis für eine solche Wirkung sei, dass im Rahmen einer Beitragserhebung für das abgelöste Grundstück nach Eingang der letzten Unternehmerrechnung eine erheblich andere als die vereinbarte Höhe des Ablösebetrages als Beitrag anfallen würde.
Wenn, so das BVerwG, eine Abwägung aller sich im Zusammenhang mit dem Ablösevertrag ergebenden Umstände gegenläufige Interessen ergeben würden, könne die Kommune die Anpassung der Ablösevereinbarung verlangen und ggf. im Wege der Leistungsklage oder des Rücktrittes durchsetzen. Aus dem Urteil:
(…) Eine absolute, von der Ursache des Auseinanderfallens von Ablösungsbetrag und Erschließungsbeitrag unabhängige, allein an die Höhe der Differenz anknüpfende Grenze ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. (…) Hätte der Gesetzgeber der Fortgeltung eines Ablösungsvertrags eine spezifisch erschließungsbeitragsrechtliche und dazu noch „absolute“ Grenze setzten wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Regelung zum Ausdruck bringen müssen. (…)
Die Grenze der notwendigen Tolerierung eines (…) Missverhältnisses bestimmt sich vielmehr im Einzelfall nach den bundesrechtlich in § 60 VwVfG verankerten, im öffentlichen Recht darüber hinaus seit langem allgemein anerkannten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anhand einer Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen. (…) Diese Grundsätze finden nicht nur auf Dauerschuldverhältnisse, sondern auch auf öffentlich-rechtliche Verträge Anwendung, die – wie hier – eine einmalige Leistungspflicht begründen; dies gilt auch dann, wenn die vertraglich geschuldete Leistung schon erbracht wurde (…)
Damit ermöglicht die Rechtsordnung auch ohne Heranziehung einer absoluten Missbilligungsgrenze, Abweichungen zwischen dem Erschließungsbeitrag und der vereinbarten Ablösung eine Grenze zu ziehen, bei deren Bestimmung zudem den Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen werden kann. Ein sich danach möglicherweise ergebendes Nacherhebungsrecht kann die Gemeinde indes nicht unmittelbar durch Erschließungsbeitragsbescheid durchsetzen. Vielmehr bedarf es der Geltendmachung des Anpassungsverlangens – ggf. im Wege der auf Vertragsanpassung gerichteten Leistungsklage – oder des Rücktritts vom Ablösungsvertrag (…). Voraussetzung für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage ist allerdings ein – zudem unzumutbares – Überschreiten des Risikorahmens, den die Partei, die eine Anpassung des Vertrags begehrt oder von ihm zurücktreten will, mit dem Vertragsschluss übernommen hat.