Die seit August 1991 im Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) fergeschriebene Erhebung von Straßen(aus)baubeiträgen war bereits kurz nach ihrer Einführung vor knapp 30 Jahren zu einem Dauer-Streitthema für die Grundstückseigentümer in Thüringen geworden. Die teilweise sehr hohen Beitragslasten gingen, sobald sie gestundet wurden, einher mit Stundungszinsen von sechs Prozent pro Jahr. Bezüglich der Stundungszinsen war die Situation zuletzt jedoch entspannt, denn diese waren auf 0,3 Prozent jährlich gesunken.
Trotzdem entschloss sich der Thüringer Landtags im September 2019 dazu, die umstrittenen Kommunalabgaben rückwirkend zum 1. Januar 2019 abzuschaffen und den Kommunen deren, teilweise beträchtlichen, Einnahmeausfälle nach dem sog. Konnextitätsprinzip zu ersetzen bzw. auszugleichen. Doch obwohl im Landesetat für dieses Jahr hierfür 20 Mio. Euro vorgesehen sind, fließt bislang kaum Geld an die Kommunen zurück. Das liegt zum einen daran, dass die Städte und Gemeinden auf die entsprechenden Landesrichtlinien monatelang warten mussten (die letzte trat z.B. erst im Juni 2020 in Kraft), zum anderen am hohen bürokratischen Aufwand der Beantragung und Bearbeitung.
Die in der ersten, im Januar 2020 in Kraft getretenen, Landesrichtlinie vorgesehene Bearbeitungzeit von drei Monaten konnte zudem schon deshalb nicht eingehalten werden, weil im zuständigen Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar erst ab Ende des 2. Quartals 2020 die Stellen-Kapazitäten vorhanden waren. Wie komplex die Angelegenheiten sind, zeigen die Regelwerke, abgefasst in Behördendeutsch. So heißt die erwähnte Landesrichtlinie bspw. „Straßenausbaubeitragserstattungsverordnung (ThürSABErstVO)“ – nicht zu verwechseln mit der gerade erst vor wenigen Wochen in Kraft getretenen „Straßenausbauausgleichsleistungsverordnung (ThürSABAuglVO)“. Dass man als Kommune erst anmelden, dann beantragen und schließlich einen weiteren Antrag auf Auszahlung stellen muss, zeigt die zu überwindenden Hürden des Bürokratiemonsters.
Das wiederum führt zu Zeitverzögerungen. Ein Beispiel: Die Stadt Jena meldete im Januar 2020 entsprechend der in § 21b Abs. 6 ThürKAG geregelten ThürSABErstVO Kostenersatz in Höhe von mehr als 630.000 Euro an, musste bis März weitere Unterlagen und Rechnungen nachreichen, erhielt im Mai 2020 dann die Eingangsbestätigung aus Weimar und derzeit ist der Antrag in Bearbeitung. Für die entsprechende Maßnahme (= „Ziegenhainer Straße“) hatte sie da bereits seit Jahren sämtliche Rechnungen bezahlt bzw. kreditiert. Wann Jena hier mit Geld vom Freistaat rechnen kann, ist immer noch unklar.
Die ThürSABAuglVO gem. § 21b Abs. 8 ThürKAG wiederum besagt, dass Kommunen auf Antrag für ihre Ausfälle bei Maßnahmen, die ab dem 1. Januar 2019 begonnen wurden, eine prozentuale Pauschale erhalten. Dies nach folgender Staffelung: „Fahrbahn sowie Radweg einschließlich Sicherheitsstreifen bei Anliegerstraßen 65 Prozent, bei Haupterschließungsstraßen 45 Prozent, bei Hauptverkehrsstraßen 25 Prozent.“ Das Ganze dann nochmals prozentual gestaffelt bei Parkstreifen sowie Gehweg, bei der Straßenbeleuchtung, der Oberflächenentwässerung, bei kombinierter Geh- und Radwegen und bei Mischflächen. Heißt: Die finanziellen Erleichterungen bei den Beitragspflichtigen führt nun bei den Städten, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften und dem Landesverwaltungsamt zu einem erheblichen Mehraufwand. – Auch hier zum Sachstand aus Jena: Nach der ThürSABErstVO hat Jena inzwischen zwei Straßen angemeldet (= „Tatzendpromenade“, „Jenzigweg“) mit einem Gesamtersatzvolumen von mehr als 700.000 Euro.
Doch was ist mir der vom Landtag als Initiativantrag angedachten sog. Härtefallregelung, weil auch nach dem geänderten Gesetz bis 2022 noch für Straßenprojekte, die zwischen 2015 und 2018 beitragspflichtig fertiggestellt worden sind, Beitragsbescheide nach alter Rechtslage zu versenden sind? Die gibt es noch nicht, aber es wird eifrig darüber diskutiert. Nun ist der Bericht der Prüfung aus dem Innenressort da, aber er stößt nicht unbedingt auf Begeisterung. So erklärte der kommunalpolitische Sprecher der Landtagsfraktion DIE LINKE, die letzte Seite des Berichts „hätte man sich sparen können.“ Denn dort kommt das Innenministerium zu dem Schluss, dass „für Thüringen die Errichtung eines Härtefallfonds als nicht erforderlich angesehen“ werde, da man im Einzelfall auftretende Härten mit bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen begegnet werden könne.