"Unsere Stadt darf stolz sein auf diesen Volkspalast" – so jubelte die Jenaische Zeitung am 21. September 1902.
Ein reichliches Jahr später, am 1. November 1903, konnte dann der Bau in seiner Komplexität der Öffentlichkeit übergeben werden.
Ernst Abbe (1840-1905), genialer Wissenschaftler und Sozialreformer, Professor für Physik in Jena und langjähriger enger Mitarbeiter von Carl Zeiss und Otto Schott, hatte sich gegen massive Widerstände nachdrücklich für ein öffentliches Gebäude, das ausnahmslos jeder politischen und kulturellen Initiative offen stehen sollte, eingesetzt.
Zwischen 1901 und 1903 entstand in mehreren Bauabschnitten am südwestlichen Innenstadtrand – heute Carl-Zeiß-Platz 15 – das Volkshaus. Dessen Name sollte Programm sein: ein Haus für das Volk. Diesem Credo ist das Haus bis heute treu geblieben. Mehr über die Vorstellungen von Czapski sind in seiner Rede „Ueber die Bestimmung des Volkshauses” von 1903 zu finden.
Die kongeniale Umsetzung dieses Projektes verwirklichte Abbes enger Freund und Mitarbeiter Siegfried Czapski. Der von 1903 bis 1908 als Leiter der freien Zeichenschule im Volkshaus Jena tätige Maler Erich Kuithan übernahm die künstlerische Ausgestaltung des großen und kleinen Saales.
Vorerst gastierten verschiedene Orchester aus Weimar, Meiningen oder Leipzig; später wurde das Programm des Hauses durch Aufführungen der "Dresdner Staatsoper" ergänzt. Höhepunkte waren das VII. Deutsche Brahmsfest 1929 und die Jenaer Musikfeste von 1930 und 1931, die von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler ausgestaltet wurden.
Mit der Weihe der neuen Volkshausorgel erklang die "Königin der Instrumente" erstmals am 10. Dezember 1906. Max Reger, einer der namhaftesten Komponisten seiner Zeit, verbrachte seine letzten Lebensjahre in Jena und war mehrmals als Organist im Volkshaus zu erleben.
In Vorbereitung auf die 700-Jahrfeier der Stadt erhielt Jena am 1. November 1934 ein eigenes städtisches Sinfonieorchester, das am 21. September 1969 in den Status einer Philharmonie erhoben wurde. Das Volkshaus ist bis heute Konzert- und Heimstätte des Orchesters.
Darüber hinaus fanden im Volkshaus alle wichtigen Festveranstaltungen statt.
Nach dem 2. Weltkrieg und der Gründung der DDR wurde das Volkshaus vornehmlich als Kulturhaus des Kombinates VEB Carl Zeiss Jena genutzt. Zahlreiche Volkskunstkollektive, Zirkel und Arbeitsgruppen sowie zwei Jugendklubs fanden hier ihre Heimat. Eine Vielzahl der veranstaltungen waren Betriebsveranstaltungen des Kombinates. Konzerte von national und international bekannten Künstlern fundierten die kulturelle Bedeutung des Volkshauses für die gesamte Region.
Nach der politischen "Wende" vom Herbst 1989 hat schließlich am 15. September 1991 die Stadt Jena durch einen langfristigen Pachtvertrag mit dem Eigentümer (Ernst-Abbe-Stiftung) die Trägerschaft des Volkshauses und der Ernst-Abbe-Bücherei übernommen und sich damit zur Verantwortung für das Vermächtnis Ernst Abbes bekannt.
Seit 1992 investierten die Stadt Jena und das Land Thüringen mehrere Millionen Euro in die Werterhaltung und Sanierung des Baukörpers. Das Gebäude befindet sich somit im stetigen Wandel.
Lange Zeit wurden die Räumlichkeiten des Volkshauses Jena durch die Ernst-Abbe-Bücherei und die Jenaer Philharmonie sowie die Vereine Sinfonieorchester Carl-Zeiss-Jena und Tanztheater Jena genutzt.
Im Oktober 2019 begann dann der Umbau zum modernen Kultur- und Kongresszentrum, das im Sommer 2022 eröffnet werden soll. Genauere Informationen zu den Plänen und zum Baufortschritt finden Sie auf der Unterseite Bauentwicklung.
Während im Haus die Philharmonie mit ihren Konzerten im Wesentlichen den klassischen Bereich bedient, wird vom Fachbereich Veranstaltungsmanagement – neben der Vermietung und Koordinierung der Räumlichkeiten – ein eigenes Veranstaltungsangebot mit anspruchsvollen Programmen der unterhaltsamen Genres (Jazz, Chanson, Folk, Kabarett, musikalisch-literarische Programme, Musical, Ballett, Kinderprogramme u.a.) angeboten.
Das Volkshaus mit seinem altehrwürdigen Ambiente und seinen vielseitigen Kultur- und Bildungsangeboten hat sich zu einer Konzert- und Versammlungsstätte entwickelt, die weit über Jena hinaus eine Wertschätzung genießt.
Das 100-jährige Bestehen eines Hauses, einer Kultureinrichtung von der Bedeutung des Jenaer Volkshauses fordert geradezu zum Resümee, zur geschichtlichen Darstellung auf.
Die aus diesem Anlass 2003 herausgegebene Chronik "100 Jahre Volkshaus Jena" ist die erste Materialsammlung, die verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet und geschlossen zu präsentieren versucht. Das Buch bietet Raum zur weiterführenden Bearbeitung ebenso, wie es persönliche Erinnerungen und Erfahrenes aktivieren will.
Leider ist die Chronik inzwischen vergriffen, jedoch besteht die Möglichkeit einer Ausleihe in der Ernst-Abbe-Bücherei Jena.