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Der Tod tanzt – JenaKultur-Blog
Allgemein

Der Tod tanzt

Gräberfeld

Wir alle sind fassungslos. Krieg in Europa. Von Claudia Dathe, lange Zeit bei der Bürgerstiftung in Jena beschäftigt, eng angebunden an zahllose Projekte bei JenaKultur, nicht zuletzt das Themenjahr „Von Feinden zu Freunden“ erreichte uns dieser Gastbeitrag, den wir heute spontan veröffentlichen möchten.

Am 10. November 2018 versammelten sich hunderte Jenaer am Friedensberg, um sich die Theaterperformance „Zwischen den Fronten“ anzuschauen, ein Erinnerungsmosaik, dass drei junge Theaterteams aus Jena, Aubervilliers und Tscherniwzi (Ukraine) in einem gemeinsam Projekt erarbeitet und einstudiert hatten. Damit sollte dem Ende des Ersten Weltkriegs gedacht werden, das sich am 11. November 2018 zum einhundertsten Mal jährte. Das Leitungsteam mit Dramaturgen von der Freien Bühne Jena, les Trétaux de France und dem Gedankendach Czernowitz hatten über ein halbes Jahr gemeinsam die Choreografie erarbeitet und mit den Schauspieler:innen geprobt, gemeinsam waren die Gruppen im August 2018 nach Tscherniwzi gefahren, um sich kennenzulernen, die Stadt in der Bukowina, aus der Paul Celan stammt, zu besuchen und das Stück zu proben. Sie schufen ein Erinnerungsmsosaik, das neben universellen Fragen den Blick an die ehemalige West- und Ostfront des Krieges richtete und für viele Jenaer vielleicht zum ersten Mal zeigte, dass es auch vor einhundert Jahren schon die Ukrainer als Volk gegeben hatte und dass sie an der Bruchlinie lagen zwischen Ost und West, aufgerieben in den Armeen des Habsburger Reiches und des russischen Zaren.

Krieg in Europa
Auch aus Tscherniwzi (Ukraine) gab es Beteiligte am Projekt „Zwischen den Fronten“ 2018 | Foto: © Anja Schwing

Im Februar 2022 schauen wir in die Ukraine – nach Charkiw, Odessa, Kyjiw, Cherson – und sehen Panzer, Bombardements und fliehende Menschen. Putins Angriff auf die Ukraine. Wir sind erstarrt.

Hätten wir früher hingeschaut, hätten wir 2008 Putins Einmarsch in Georgien, 2014 die Annexion der Krim, 2020 die Niederschlagung der Revolution in Belarus und im Oktober 2021 die Unterwerfung der kasachstanischen Opposition gesehen.

Die Ukraine schwebt über dem Abgrund.

Was wir gefeiert haben mit der Performance im November 2018 – das Ende des Ersten Weltkrieges und im Zuge dessen die beginnende Anerkennung und Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts kleiner Völker –, wird gerade vor unseren Augen zerstört.

Mein Mann und ich haben von 2000 bis 2005 in Kyjiw gelebt und an zwei Hochschulen Studierende unterrichtet, die wie alle jungen Menschen mit Neugier und Hoffnung in die Zukunft schauten. Durch diese Zeit und durch meine Arbeit als Übersetzerin für ukrainische Literatur habe ich viele Freunde in verschiedenen Orten des Landes, und ich werde in diesen Tagen oft gefragt, wie sie sich fühlen. Die Antworten der Freunde sind knapp: sind zu Hause, habe die Kinder von meinem Bruder, holen Brot. Die Antworten fallen knapp aus, es ist nicht die Zeit für lange Befindlichkeitserklärungen.

Was wir gegenwärtig erleben, ist der Ermächtigungsmoment von Russland als Imperium. Er erobert den postsowjetischen Raum ohne Rücksicht, welchen Weg die unabhängigen Länder in den letzten Jahren genommen haben, ohne Rücksicht auf die Menschen und ihren persönlichen und politischen Willen. Putin hat seinen Apparat, seine Armee im Griff, sie sind ihm zu Diensten. Was wissen wir von den Menschen in Russland, von den Lehrer:innen, Kraftfahrer:innen, IT-Spezialisten? Nichts, denn Putins Apparat schirmt uns von der russischen Gesellschaft ab. Wir sehen Putins Russland, nicht das Russland von Alexander Puschkin, Leo Tolstoi und Anna Achmatowa.

In der Schlussszene unserer Performance am 10. November tanzte der Tod hoch über den Menschen und zeigte seine triumphierende Grimasse.

Das Imperium Russland unterwirft seinen Nachbarn. Deutschland hat sich durch seine Energiepolitik freiwillig in russische Abhängigkeit begeben. Deswegen zögert unsere Außenministerin mit Sanktionen, auch Deutschland zappelt am Haken, wenngleich nicht militärisch.

Wo die politischen Mittel begrenzt sind, können wir als Bürger aktiv werden:

Wenn Sie Fragen zum Land und zur Lage haben, fragen Sie!

Wenn Sie Geld haben, spenden Sie!

Wenn Sie Glauben haben, beten Sie!

Wenn Sie ein Herz haben, schauen Sie nicht weg!

Sonst tanzt der Tod, und der Vorhang fällt.

Claudia Dathe

Hier noch ein Veranstaltungshinweis

Sprachlos die Sprache verteidigen
Lesen für die Ukraine

Der Tag des großen Krieges, der nie hätte kommen dürfen, jetzt ist er da. Die Menschen in der Ukraine, die der russischen Aggression ausgeliefert sind, haben unser Mitgefühl und unsere Unterstützung. In Russland sehen die von Repressionen drangsalierten Bürger verzweifelt zu, wie in ihrem Namen ein Verbrechen an ihren engsten Nachbarn begangen wird. In Belarus erleben sie, wie die Ukraine von ihrem Territorium aus überfallen wird.

Wir suchen nach Worten im Krieg. Worten, die uns helfen, aus diesem Abgrund wieder herauszukommen. Worten der Wahrheit, die wir mit unseren Freunden und Kollegen im Osten Europas teilen.
An diesem Nachmittag hören wir literarische Stimmen aus der Ukraine, aber auch aus Russland und Belarus, in deutscher Übersetzung gelesen von Berliner Autorinnen und Autoren.

Mit:
Nora Bossong, Max Czollek, Julia Franck, Durs Grünbein, Yurij Gurzhy, Joachim Helfer, Dmitrij Kapitelman, Enis Maci, Herta Müller, Karl Schlögel, Uljana Wolf, Deniz Yücel
Und Texten von:
Juri Andruchowytsch, Yevgenia Belorusets, Elena Fanajlowa, Alissa Ganijewa, Artur Klinau, Kateryna Mishchenko, Valzhyna Mort, Katja Petrowskaja, Sasha Marianna Salzmann, Maria Stepanova, Serhij Zhadan
Gorki Theater Berlin
Samstag, 26.02.2022, 16 Uhr
Youtube Livestream: https://youtu.be/zrmkQFBRh38

  1. Rainer Kirmse , Altenburg

    FRIEDENSAPPELL

    In Europa endet das Friedensglück,
    Das Reich des Bösen meldet sich zurück.
    Der Angriffskrieg, eine scheußliche Tat,
    Fluch über Putin samt Machtapparat.
    Lasst die Ukraine jetzt nicht allein,
    An Dnepr und Donez muss Friede sein.

    Ihr Völker der Welt, schaut auf dieses Land.
    Die Waffen nieder und den Krieg verbannt!
    Sofort stoppen den Kampf und das Leid,
    Zum Sieg verhelfen der Menschlichkeit.
    Den Erdball frei von Hass und Aggression,
    Frieden und Freiheit für alle der Lohn.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus der Skatstadt

  2. Thomas ZIpf

    Einfach nur fürchterlich und menschenverachtend.

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