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„Die Jenaer Philharmonie ist ein Glücksfall“ – JenaKultur-Blog
Allgemein Jenaer Philharmonie

„Die Jenaer Philharmonie ist ein Glücksfall“

GMD Simon Gaudenz

Bei GMD Simon Gaudenz nachgefragt zum Jubiläumskonzert am 8. März 2024

Mit einem Jubiläumskonzert am 8. März um 20 Uhr in der Sparkassen-Arena Jena feiert die Jenaer Philharmonie den 90. Geburtstag ihres Orchesters. Als Geschenk gibt es für das Publikum aber auch für den Klangkörper selbst Gustav Mahlers 8. Sinfonie, die als Teil des Mahler-Scartazzini-Zyklus an diesem Abend erstmalig am Sitz des Orchesters in Jena erklingen wird. Nicht von ungefähr wird Mahlers Achte auch die „Sinfonie der Tausend“ genannt: Zusammen mit der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, dem Opernchor der Theater Chemnitz, dem Monteverdichor Würzburg, dem Nationalen Akademischen Knaben- und Männerchor Lviv „Dudaryk“ und acht Gesangssolist:innen werden die Jenaer Philharmonie und ihre drei Chöre – also über 400 Mitwirkende – das opulente, überschäumende und doch gleichzeitig auch so nachdenkliche und feinsinnige Werk Mahlers auf die Bühne bringen. Für den heutigen Blogbeitrag haben wir mit Simon Gaudenz, dem Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie, über „sein“ Orchester und das Programm des Jubiläumskonzerts gesprochen.

Lieber Herr Gaudenz, Sie dirigieren das Jubiläumskonzert zum 90. Geburtstag der Jenaer Philharmonie. Auf dem Programm steht neben Mahlers monumentaler „Sinfonie der Tausend“ auch das neueste Stück „Anima“ des Composers in Residence des Orchesters, Andrea Lorenzo Scartazzini. Wie kann man sich Ihre Vorbereitung auf so ein Werk wie die Sinfonie Mahlers einerseits und eine Uraufführung auf der anderen Seite vorstellen?

Simon Gaudenz: Wenn ein Werk ganz neu ist, wie in diesem Falle Andrea Scartazzinis „Anima“, bin ich natürlich neugierig, es möglichst früh zu sehen. Ich bekam die Partitur vor ungefähr einem Monat zu sehen, dem ging ein permanenter Austausch über Inhaltliches wie der Einbezug von Singstimmen, der Status innerhalb von Andreas eigenem Zyklus, bestimmten ausgefallenen Ideen wie der Einsatz einer Windmaschine, die Dauer oder ganz allgemein die Besetzung voraus. In gewisser Weise konnte ich mir also schon vorstellen, was kommt, trotzdem ist die Spannung und Vorfreude stets groß. Mahlers Achte hingegen ist ein berühmtes Werk, das auf eine jahrzehntelange Aufführungstradition zurückblickt, mit welcher es sich ebenfalls auseinanderzusetzen gilt. Dass sie uns bevorsteht, ist uns jedenfalls seit Beginn des Zyklus bewusst. Durch die vielschichtigen Anforderungen dieses Werkes ist kaum festzumachen, wann die Auseinandersetzung damit begann. Ausgangspunkt ist natürlich die Musik selbst, die mich seit mehreren Jahren begleitet – alleine schon durch die permanente Beschäftigung mit der Musik Mahlers, der Konzerte und Aufnahmen. Die Partitur liegt seit Monaten auf meinem Schreibtisch und fordert mir künstlerische Gedanken zu Atmosphäre, Farbe, Klang, Text, historischem Kontext, Balance, Tempo, Spannungsbogen, Details vom Großen bis ins Mikroskopische ab. Parallel dazu sind im Zusammenspiel mit dem Team der Verwaltung der Jenaer Philharmonie aber auch Dutzende ganz praktische Fragen und Aspekte zu klären und organisieren.

Simon Gaudenz und Andrea Lorenzo Scartazzini (links)
Simon Gaudenz und Andrea Lorenzo Scartazzini (links) bei bei der Aufführung des Mahler-Scartazzini-Zyklus VI im Volkshaus Jena am 23. März 2023 | ©JenaKultur, C. Worsch

In der vergangenen Spielzeit, die unter dem Motto „ZahlenSpiele“ stand, haben Sie in einem Interview erzählt, dass die größte Musikerzahl, die Sie jemals unter Ihrer Leitung hatten, rund 250 betragen hat. Bis jetzt muss man sagen, denn am 8. März sind es dann über 400. Was bedeutet das für Ihr Dirigat; was bringt das für Sie mit sich, so viele Musiker:innen und Sänger:innen zu leiten?

Simon Gaudenz: Zumindest für mich ist es sehr wichtig, mir in der Vorbereitung stets die ungeheuren Dimensionen vor Augen zu halten, denn im Probenprozess und während der Aufführungen gilt es, alle miteinzubeziehen, allen Aufmerksamkeit zu schenken und alle mitzunehmen. Nur so kann ein Konzert gelingen.

Ist Mahlers Achte in ihrer Dimension ein Werk, das man im Normalfall eher nur einmal im Leben spielt bzw. dirigiert?

Die Jenaer Philharmonie im Volksbad Jena
Die Jenaer Philharmonie bei einem Konzert im Volkshaus Jena am 16. Dezember 2023 unter der Leitung von GMD Simon Gaudenz | ©JenaKultur, C. Worsch

Simon Gaudenz: So wie Werke dieser gigantischen Ausmaße an einer Hand abzuzählen sind, so singulär sind auch deren Aufführungen. Auf der anderen Seite stehen für „Nerds“, die bei diesen Ereignissen möglichst oft dabei sein oder gar mitwirken wollen, die Chancen gut, denn die Kapazitäten sind ja auch entsprechend groß.

Seit 2018 sind Sie Generalmusikdirektor der Jenaer Philharmonie und haben mit Amtsantritt mit dem Mahler-Scartazzini-Zyklus ein einzigartiges und international beachtetes Projekt initiiert, das in dieser Spielzeit im Rahmen des Jubiläumskonzerts seine Fortsetzung findet. Eine tolle Fügung, dass mit dem Zyklus gleichzeitig auch das Orchesterjubiläum gefeiert werden kann. Erzählen Sie doch auch kurz noch etwas mehr über „Anima“, das Prologwerk, das Andrea Lorenzo Scartazzini zu Mahlers 8. Sinfonie komponiert hat.

Simon Gaudenz: Andrea stellte sich die Frage, wie er der „Sinfonie der Tausend“ begegnen will – den Kontrast oder die Nähe suchend, rein instrumental oder mit Gesang? Er entschied sich dafür, den Chor und ein Alt-Solo einzusetzen und hierfür Goethes „Gesang der Geister über den Wassern“ zu vertonen. Durch Goethes Vergleich der menschlichen Seele mit dem Kreislauf des Wassers entsteht eine Verbindung zum zweiten Teil der Sinfonie, der Schluss-Szene aus „Faust II“ mit dem Thema des „Unsterblichen“, wodurch Andreas „Anima“ einem Prolog gleichkommt. Durch den nahtlosen Übergang seiner vorhergehenden Stücke „Omen“ und  „Orkus“ schlägt er zugleich den Bogen zurück zu Mahlers Sechster und Siebter – laut Mahler wie alle seine Sinfonien nur als „Präludien“ zur Achten zu betrachten seien, dem „Größten, was ich geschaffen“.

Sie arbeiten seit über fünf Jahren mit der Jenaer Philharmonie zusammen. Wie erleben Sie das Orchester?

Simon Gaudenz: Die Jenaer Philharmonie ist ein Glücksfall. Für die Stadt und das Land, aber besonders auch für mich. In den vergangenen Jahren – mit, während und trotz corona – konnte das gegenseitige Vertrauen wachsen, dadurch auch die Qualität des Orchesters, die Profilierung des Spiels, die Zuspitzung der Interpretation und die packende Spielfreude, mit der wir unser Publikum mitreißen können. Ich betrachte es als Privileg, umgeben zu sein von hervorragenden Musiker:innen, die mich stets aufs Neue inspirieren und von denen ich so viel lernen kann. Es ist meine Aufgabe, diese Inspiration zu spiegeln und das Orchester zu neuen Höhenflügen zu animieren.

Kommen wir noch auf die Konzertlocation zu sprechen: Die Sparkassen-Arena statt dem Ernst-Abbe-Saal im Volkshaus?!

Simon Gaudenz: Eine Herausforderung. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen? Wie oft in unserem Leben dürfen wir solch ein Werk spielen, wann können wir so viele Menschen auf einmal zusammenbringen? Machen wir etwas Einmaliges daraus!

Auf was kann sich das Publikum im Jubiläumskonzert ganz besonders freuen?

Simon Gaudenz: Sich berauschen zu lassen an diesem Werk, das einem klingenden Kosmos gleicht. An den neuartigen Klängen von Andrea Lorenzo Scartazzini, der den Bogen in die Gegenwart schlägt. Und mit sehr sehr vielen Menschen gemeinsam Teil eines einmaligen Ereignisses zu sein…

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gaudenz. Wir sind schon sehr gespannt auf das Konzert und wenn Sie, liebe Leser:innen, auch Teil dieses einmaligen Ereignisses sein wollen, dann sichern Sie sich schnell noch Ihre Tickets für das Jubiläumskonzert der Jenaer Philharmonie in der Jena Tourist-Information oder online.

Die Fragen stellte dankenswerterweise für uns Eva Maria Liegl, die für die Öffentlichkeitsarbeit der Jenaer Philharmonie verantwortlich ist.

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