Der 35-jährige Almedin Mujezinovic stammt aus Bosnien und Herzegowina und arbeitet nun als Busfahrer beim Jenaer nahverkehr. Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, trafen Herr Mujezinovic und seine Frau bereits 2018. Doch das Verfahren brauchte viel Zeit.
Im Interview berichtet er über den Grund für seinen Umzug nach Jena, beschreibt seinen Weg hin zum Arbeitsvertrag und erklärt wie er mit dem Thüringer Dialekt zurechtkommt.
Herr Mujezinovic, erzählen Sie uns ein wenig über sich und wie Sie nach Jena gekommen sind.
Almedin Mujezinovic:
Deutschland als neue Heimat hat sich unsere Familie nicht zufällig ausgesucht. Als 1992 Krieg in Bosnien war, floh ich als Kind mit meinen Eltern nach Österreich. Dort haben wir vier Jahre gelebt und ich bin zur Schule gegangen und habe die Sprache gelernt. Nach dem Krieg ging unsere Familie zurück in die Heimat und wir hatten ein normales Leben in Bosnien. Aber die wirtschaftliche und politische Lage war sehr schlecht. Und das ist auch der Grund für den Umzug nach Deutschland. Fast 30 Jahre lang hat sich gar nichts geändert. Aber ich habe mit meiner Familie beschlossen, etwas zu ändern. Meine Sprachkenntnisse hatte ich nicht verloren. Auch während meiner Zeit als Berufskraftfahrer war ich regelmäßig in Deutschland und habe Möbel aus Bosnien geliefert.
Ich bin ausgebildeter Berufskraftfahrer und Verkehrstechniker und habe jahrelange Erfahrung in diesem Bereich. Beim LKW-Fahren ist man aber immer allein, deshalb tauschte ich ab 2017 den LKW-Fahrersitz gegen das Buslenkrad. Die Arbeit beim städtischen nahverkehr in Sarajevo erlaubte mir außerdem mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
Das Busfahren in der Stadt ist mir daher nicht neu, aber die Arbeitsbedingungen sind hier in Jena viel besser und es gibt bessere Fahrzeuge. Sarajevo ist die größere Stadt, aber in Jena gibt es das größere Straßenbahnnetz. Der nahverkehr hier ist der Beste.
In Bosnien hatten wir nicht so viel wirtschaftliche Sicherheit wie hier. Deshalb konnte man keine Pläne machen. Für uns ist klar:
Wir wollen in Jena bleiben und sind hier sehr zufrieden. In Jena fühlen wir uns Zuhause.
Wie lange hat der ganze (Einreise-)Prozess gedauert? Was hat Ihnen geholfen, zuversichtlich zu bleiben?
Almedin Mujezinovic:
Das hat sehr lange gedauert. Im September 2018 haben wir bei der deutschen Botschaft einen Antrag gestellt, um überhaupt erstmal einen Termin zu bekommen. Aufgrund der pandemischen Situation hatten wir auch im Dezember 2020 noch immer keinen. Stattdessen stornierte die deutsche Botschaft alle Anträge des laufenden Jahres und führte ab Januar 2021 das Losverfahren ein, bei dem man sich jeden Monat erneut bewerben musste. In meiner Not wandte ich mich im Dezember 2020 schließlich an das IQ Netzwerk Thüringen und erhielt zunächst Unterstützung durch die Informations- und Beratungsstelle Anerkennung für Ostthüringen (IBAT Ost) in Jena.
Es war schwer, ein Arbeitsvisum zu bekommen. Mit der Berufsanerkennung ging es viel leichter, einen Termin bei der Botschaft zu bekommen. Frau Dr. Minonne von der IBAT hat mir sehr mit dem Antrag geholfen. Gemeinsam mit dem IQ Projekt Fachinformationszentrum Einwanderung Jena und dem Welcome Center Jena wurde mir die Einreise nach Deutschland vereinfacht.
Warum haben Sie sich entschieden, eine Stelle beim Jenaer nahverkehr anzunehmen, und wie war Ihr Start dort?
Almedin Mujezinovic:
Den Kontakt zum Jenaer nahverkehr suchte ich mir eigenständig. Ich habe mich in ganz Deutschland beworben, aber der nahverkehr in Jena hinterließ gleich einen guten Eindruck: Die waren sehr konkret und wussten genau Bescheid. Nach einem Online-Vorstellungsgespräch entschied sich der Arbeitgeber innerhalb eines Tages dazu, mich einzustellen. Aufgrund der Corona-Situation konnte ich jedoch nicht nach Deutschland einreisen, um eine Probefahrt anzutreten. Diese erfolgte erst ein Jahr später, im Mai 2021. Danach bekam ich direkt meinen Arbeitsvertrag. Und so ging´s los!
Mein Führerschein war in Deutschland nur für sechs Monate gültig, danach musste ich erneut die Theorie- und Praxisprüfung absolvieren. Das ging jedoch problemlos.
Am 3. Januar 2022 bin ich zum ersten Mal in Deutschland Bus gefahren – und das nicht als Fahrgast.
Wie hat die Einarbeitung bei Ihnen geklappt und wie würden Sie Ihre ersten Tage im Unternehmen beschreiben?
Almedin Mujezinovic:
Aufgeregt war ich vor meinem ersten Arbeitstag nicht. Die Kollegen waren sehr nett, ich hatte eine gute Einweisung und ich kannte die Sprache gut. Es gibt viele Gemeinsamkeiten in der deutschen und bosnischen Sprache. Ich kann mich gut mit der Leitstelle und mit Jedem verstehen. Probleme gab es anfangs nur mit dem Thüringer Dialekt. Aber wenn ich etwas nicht verstehe, dann frage ich den Kollegen „Kannst du das wiederholen?“ oder „Was bedeutet das Wort?“.
Meine Kolleg*innen beim Jenaer nahverkehr haben mich als Neuen im Team gut aufgenommen und mein Arbeitgeber unterstützte uns als Familie bei der Wohnungssuche. Ich hatte nicht geglaubt, dass es sowas gibt.
An den neuen Tagesablauf habe ich mich inzwischen auch gewöhnt. In Sarajevo fuhr ich nur die Nachtschicht von 17:00 Uhr bis Mitternacht. In Jena bin ich in allen Schichten tätig und fahre immer andere Strecken. Das stört mich jedoch nicht, da ich sehr gut eingearbeitet wurde. Mein Arbeitgeber hat mir inzwischen die Möglichkeit eröffnet, zukünftig auch als Straßenbahnfahrer tätig zu sein.
Vielen Dank für das Interview und für Sie und Ihre Familie weiter alles Gute!