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Von „Musik der Ritter und Edelfräulein“ bis hin zum Holzblasinstrumentenbau  – JenaKultur-Blog
Allgemein JenaKultur (übergreifend) Musik- und Kunstschule Jena

Von „Musik der Ritter und Edelfräulein“ bis hin zum Holzblasinstrumentenbau 

Beate Bachmann und Christian Reisner, Projekt Musik der Ritter und Edelfräulein der MKS Jena

Die erste Projektwoche in der Musik- und Kunstschule Jena

Die Musik- und Kunstschule Jena ist stolz darauf, ihr 75-jähriges Jubiläum feiern zu dürfen und hat sich dafür etwas ganz Besonderes ausgedacht: Eine Projektwoche vom 22. bis 29. April 2023; sie sollte den Schüler:innen ein einmaliges Erlebnis bieten und sozusagen ein Geschenk an sie sein.

Von japanischen Trommelklängen bis hin zum Holzblasinstrumentenbau, von speziellen Techniken bis hin zu Entspannungskursen: die Schüler:innen hatten die Möglichkeit, aus einer großen Anzahl an Angeboten zu wählen und ihre künstlerischen Interessen zu vertiefen. Die zahlreichen Exkursionen waren dabei sicherlich ein Highlight, die den Schüler:innen die Möglichkeit gaben, z. B. Einblicke in den Instrumentenbau und in die Geschichte der Musik zu gewinnen.

Doch wie kam es zu dieser Idee, und welche Herausforderungen mussten überwunden werden?

Ihr beide hattet die Idee zu einer Projektwoche. Wie seid Ihr darauf gekommen?

Beate Bachmann (Pädagogin für Früherziehung und Gesang): Die Idee ist uns eher zufällig gekommen, hat uns aber beide sofort begeistert. Wir saßen zusammen in der Sonne, und Antje erzählte von einem Projekt, das sie mitgerissen hatte, weil sie gemeinsam mit einer Kollegin etwas für sie völlig Neues gestalten konnte. Der Mehrwert dieser Arbeit entsprang dabei der fächerübergreifenden Kooperation. Die Motivation daraus war sofort ansteckend. Für eine solche Arbeitsweise bleibt im normalen Musikschulalltag für gewöhnlich keine Zeit. Aber was wäre, wenn wir eine ganze Woche anstelle des üblichen Unterrichts das gesammelte Können unseres Kollegiums zusammenwerfen und daraus ungesehene Projekte für unsere Schüler:innen kreieren würden? Man könnte endlich die Themen in Ruhe angehen, die im Instrumentalunterricht leider immer auf der Strecke bleiben; man könnte gemeinsam mit der Kollegin einen völlig neuen Workshop gestalten, man könnte die eigenen Schüler:innen zum versierten Kollegen schicken und dafür fremden Schüler:innen anderweitig Hilfestellung geben…man könnte und könnte. 

Antje Taubert (Pädagogin für Klarinette und Saxophon): Wir sehen unsere Schüler:innen im Einzelunterricht, welcher oft viel zu schnell rum geht. Gedanken wie: ‚Oh, ich würde ihnen gerne historische Instrumente zeigen, sie gerne mal in die Werkstatt eines Holzblasinstrumentenbauers mitnehmen oder ihnen vieles präsentieren, was auch zum Spielen eines Instrumentes dazu gehört, wie zum Beispiel: Was gehört alles zum Auftritt auf einer großen Bühne?‘

Zudem haben wir am Haus viele Kolleg:innen mit unterschiedlichsten Zusatzqualifikationen. Da kam beim Austausch und Träumen schnell der Gedanke, ob wir nicht die Möglichkeit schaffen können, diese sichtbar zu machen. Zum Beispiel Theaterübungen auszuprobieren, um sich beim nächsten Auftritt richtig wohl zu fühlen. Oder mal zu erleben, wie es ist, in einer Band zu spielen, mit einer Loopstation zu agieren, mitten in einer Probe der Jenaer Philharmonie zu sitzen u.v.m. 

Wie haben Sie reagiert, als der Vorschlag von Seiten der beiden Pädagoginnen kam? Und wie konnten Sie die anderen Kolleg:innen für diese Idee begeistern?

Yvonne Krüger (Schulleiterin): Schnell war ich von dieser Idee begeistert. Konzerte wird es im Jubiläumsjahr reichlich geben, aber eine Projektwoche hatten wir noch nie. Nicht nur die Schüler:innen sollten von diesem Angebot profitieren, auch die Lehrer:innen. Eine Projektwoche fördert Spaß an der Sache und bringt Ideen in den Musikschulalltag. Das war genau richtig für das Jubiläumsjahr und gleichzeitig ein Geschenk an unsere Schüler:innen. 

Doch in der Umsetzung gab es mehr Herausforderungen als gedacht: Erst einmal mussten alle 32 festangestellten Pädagog:innen und 61 Honorarkräfte von der Idee überzeugt werden. Dazu beschäftigten wir uns in den Lehrerkonferenzen und Fachgruppensitzungen mit der Umsetzung. Bei einigen Pädagog:innen sprudelten die Ideen so sehr, dass man sie einbremsen musste, und andere Kolleg:innen waren vorerst skeptisch. Gelingen konnte die Projektwoche aber nur, wenn alle Pädagogo:innen im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit mitmachten. 
Es mussten neue Raumpläne erstellt, Kontakt mit Kooperationspartner:innen aufgenommern und zusätzliche finanzielle Mittel eingestellt werden. Schlussendlich ging es auch darum, die Vielzahl an Projekten übersichtlich für die Webseite aufzubereiten. Wie wir es geschafft haben, alle zu überzeugen, kann ich gar nicht mehr sagen. Umso mehr Ideen im Raum standen, desto mehr Kolleg:innen waren auch von der Idee „Projektwoche“ begeistert.
Viele Kolleg:innen freuten sich gemeinsam mit ihren Schüler:innen, einmal aus der Unterrichtsroutine auszubrechen und über den Tellerrand zu schauen, sich mit anderen Schüler:innen und Lehrer:innen zu vernetzen und in ganz neuen Konstellationen zusammen zu musizieren oder kreativ zu arbeiten. 
Die Vorfreude war bei allen sehr groß, und es fühlte sich ein wenig an wie die Aufregung vor einer großen Geburtstagsfeier mit vielen Überraschungen.

Nun liegt die aufregende Woche schon wieder hinter Ihnen, und Sie haben bei einigen der Angebote mitgewirkt. Wie war diese Erfahrung für Sie und Ihre Schüler:innen?

Antje Taubert (Pädagogin für Klarinette und Saxophon): Für mich begann die Woche mit einem Kurs für jiddische Tanzmusik, dem Klezmer. Die Teilnehmer:innen spielten Geige, Saxophon, Klarinette und Violoncello und kamen sehr schnell in ein Spielen nach Gehör und große Freude. Wie schnell wir mit unterschiedlichem Alter dabei miteinander musizieren können, fasziniert mich immer wieder. Das Leipziger Holzblasatelier baute am Mittwoch in der MKS auf, und Schüler:innen konnten historische Instrumente anschauen und sich zeigen lassen, wie die Holzblasinstrumente zusammen gebaut werden. Es war spannend, mal ein eigenes Polster anzufertigen und zu montieren.

Beim Instrumentenbau
Beim Instrumentenbau ©JenaKultur, Foto: MKS, Antje Taubert


Bei meinem dritten Projektangebot ging es um Auftrittstraining – da muss man sich als Musiker:in ran trauen. Mit unserer Schauspielkollegin Claudia Kirchof war das mit ihrer spielerischen Anleitung gar kein Problem, und die Teenager konnten Einblicke in die Übungen für mehr Bühnenpräsenz bekommen und mit reichlich Lachen experimentieren.

Beate Bachmann (Pädagogin für Früherziehung und Gesang): Nach dieser Woche blicke ich auf mehrere gelungene Projekte, bei denen ich teilhaben konnte oder die Leitung übernommen habe. Bei allen diesen Projekten kamen Begegnungen und Momente zustande, bei denen Schüler:nnen, Eltern oder ich selbst Aha-Erlebnisse hatten und mit neuem Input aus der MKS gegangen sind. Dabei konnte ich mit bekannten und unbekannten Kindern und Erwachsenen neue Themenfelder ausprobieren und musikalische Erlebnisse anbieten, die in meinem Unterricht allein nicht möglich wären. Mit meinem Kollegen Christian Reisner habe ich das Projekt „Musik der Ritter und Edelfräulein“ gestaltet, komplett in Kostüm, mit Requisite und natürlich passender Musik.

Das war für uns neu und erforderte eine intensivere Vorbereitung als sonst. Gelohnt hat es sich für die ganzen schönen Momente mit den Kindern: Als Ritter und Edelfräulein verkleidet, haben wir höfisch getanzt, eigene Instrumente gebastelt, zu einer mittelalterlichen Tonleiter improvisiert und einen Spielmannszug durch die MKS-Flure veranstaltet – der Kampf gegen einen fiesen Drachen natürlich inbegriffen. Beim Projekt „VORgelesen“ sind mein Kollege Björn Werner und ich in Kooperation mit der Ernst-Abbe-Bücherei Jena gegangen, ebenfalls eine Einrichtung von JenaKultur, die wir allen Kindern sehr ans Herz legen. Hier hatten wir gezielt Kindergartenkinder angesprochen und zur musikalischen Lesung von „Der Wolf, die Ente und die Maus“ geladen. Da sich Björn ganz dem Vorlesen widmete, hatte ich die Möglichkeit, mit den Kindern interaktiv zu arbeiten und gemeinsam das Buch mit Stimme oder Instrumenten zum Klingen zu bringen. Dadurch entstand – etwa in der Mitte des Buchs – eine Art Live-Hörspiel inklusive Tanzparty.

Mitmachprojekt "Musik der Ritter und Edelfräulein"
Mitmachprojekt „Musik der Ritter und Edelfräulein“ | ©JenaKultur, Foto: MKS, Beate Bachmann

Das macht natürlich ganz schön Krach – so intensiv liest man die Gute-Nacht-Geschichte zuhause vermutlich nicht vor. Auch hier bin ich dankbar für die Gelegenheit, das gemeinsam auszuprobieren und Kinder für Lesen und Musizieren begeistern zu können. Da wir in der Bücherei lasen, kamen noch einige Büchereibesucher:innen als Zaungäste hinzu, die uns nun vielleicht in der Musik- und Kunstschule besuchen.

Yvonne Krüger (Schulleiterin): Obwohl ich nur noch wenige Schülerinnen neben meiner Direktorentätigkeit unterrichte, konnte ich mit 3 weiteren Blockflötenkolleginnen an der Exkursion nach Fulda teilnehmen. Schon die Vorbereitung machte uns (Simone Kayser, Deborah Steiner, Anne Hönig und mir) viel Spaß. Jeder hatte eine Aufgabe: Organisation Besichtigung Blockflötenwerkstatt Kunath, Quiz und Unterhaltungsprogramm für die lange Busfahrt, und ich durfte die Stadtführung in der Barockstadt Fulda übernehmen.

Exkursion in die Barockstadt Fulda
Exkursion in die Barockstadt Fulda ©JenaKultur, Foto: MKS, Yvonne Krüger

Simone Kayser, Blockflötenlehrerin an der schule, die maßgeblich für die Umsetzung dieses Projektes verantwortlich war, schildert den Tag wie folgt: Nachdem wir mit den Schüler:innen im Bus saßen, zwei Notenrätsel gelöst hatten, haben wir für die Besitzer der Blockflötenwerkstatt Kunath einen selbstgetexteten Kanon einstudiert und ihn vor der Werkstattführung vorgesungen. Die Beiden waren sichtlich bewegt!
In der Werkstatt haben wir soooooo viel gesehen, da schwirrt mir immer noch der Kopf: Woher kommt der Name „Blockflöte“? Wie bohrt man die Löcher in die Blockflöten? Welche Holzarten eignen sich? Unsere Schüler:innen durften sich dann anschließend an der barocken Drechselbank versuchen und einen 3D-Drucker begutachten, der zum Besichtigungszeitpunkt die viereckigen Paetzold-Blockflöten druckte.

Nach einem Picknick ging es zu einer Besichtigung durch die wunderschöne Fuldaer Innenstadt. Kurzweilig und informativ wurde die Tour von meiner Tochter Elisabeth und Yvonne Krüger im Vorfeld ausgearbeitet: Bonifatius-Denkmal, Fachwerkhäuser, Privathaus des barocken Architekten Johann Dientzenhofer, (Stadtschloss), Besichtigung des Doms und der Orangerie mit Menuett-Tanzen auf dem Platz: das waren nur einige der Stationen, die allen sichtlich Spaß bereitet haben. 

Aus den bisherigen Schilderungen kann man heraus hören, dass die erste Projektwoche gut angenommen wurde. War das Geschenk zum 75. Geburtstag also ein Erfolg?

Yvonne Krüger (Schulleiterin): Wir haben viele positive Rückmeldungen von Seiten der Schüler:innen und Eltern bekommen. Eine begeisterte Mutter schrieb mir zum Beispiel: „Das ist so ein tolles und vielfältiges Angebot, was Sie da auf die Beine gestellt haben. Die Vielfalt der Workshops und die Freude, die die Pädagogen bei der Auswahl ausstrahlten, beeindruckten sie sehr.“ Sie gratulierte der Musik- und Kunstschule zu ihrem gelungenen Jubiläum und ist froh, dass ihre Kinder durch die schule solche großartigen Möglichkeiten erhalten.
Aber auch das Kollegium der Musik- und Kunstschule Jena ist erneut über sich hinaus gewachsen und hat gezeigt, wie kreativ und innovativ es ist. Viele Kolleg:innen zeigten außerdem, welche Talente noch in ihnen schlummern, und so entstand ein abwechslungsreiches und spannendes Workshopangebot, dass für die teilnehmenden Schüler:innen einzigartig war.
Gemeinsam haben wir wieder viel gelernt. Ob und wann es eine derartige Wiederholung gibt, kann ich noch nicht sagen. Geprägt hat uns diese Woche in jedem Fall, und bestimmt fließen einige Ideen in den Unterrichtalltag mit ein.

Alle Leser:innen, die wir mit diesem Beitrag neugierig auf die Musik- und Kunstschule Jena gemacht haben, sind am Samstag, 13. Mai herzlich zum Tag der offenen Tür eingeladen. Dieser findet an den beiden Standorten der schule statt, also gleichermaßen in der Ziegenhainer Straße 52 (in Jena-Ost) und in der Platanenstraße 5 (in Jena-Lobeda), und lädt zum Anhören, Zuschauen und vor allem Ausprobieren ein.

Weitere Informationen zum Programm und zur Terminbuchung erhalten Sie unter www.mks-jena.de oder 03641 49-6660 oder mks@jena.de.

Wir freuen uns, Sie bald (wieder)zusehen! Ihr Team der Musik- und Kunstschule Jena

Jubiläumsjahr der Jenaer Musik- und Kunstschule
Jubiläumsjahr der Musik- und Kunstschule Jena ©JenaKultur, Gestaltung: MKS

  

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